Gesicht im Schatten: Idylle - Stalking - Mord
mal wieder,
bis gleich.“
Stefan, dem die Veränderung
nicht verborgen geblieben war, versuchte die alte Dame zu ermuntern, indem er
sie fragte, ob das Angebot einer Tasse Kaffee für ihn und Markus noch gelten
würde, wenn sie nach der Wohnungsinspektion wieder zu ihr zurück kämen. Man sah
ihr sofort an, dass ihr die Aussicht auf einen gemeinsamen Kaffee gefiel. Ein
Leuchten huschte durch Frau Semmlers Augen und sie beeilte sich, in ihre
Wohnung zurück zu gehen.
Stefan steckte den Schlüssel in
das Schlüsselloch und stutzte sofort, als er merkte, dass das Schloss mit zwei
Umdrehungen verschlossen worden war. Er schloss die Tür auf, was ohne weiteres
gelang. Stefan blickte als erstes hinter die Tür, und erkannte, dass kein
Schlüssel von Innen auf dem Schloss steckte.
„Es scheint zumindest niemand
zu Hause zu sein. Na, dann lassen wir uns doch einmal überraschen.“
Bevor Stefan und Markus die
Wohnung betraten, streiften sie Schutzbezüge aus weißem Spezialvlies über ihre
Schuhe. Als Stefan die Wohnungstür öffnete, schlug ihnen warme, verbrauchte
Luft entgegen. Sie schauten in jedes Zimmer, um sicher zu gehen, dass sich
niemand in der Wohnung aufhielt. Mehr als eine kurze Besichtigung war nicht
drin. Falls es die Wohnung des Opfers war, musste erst die Spurensicherung
alles untersuchen.
Die Wohnung hatte zwei Zimmer,
ein kleines Badezimmer und eine winzige Küche. Stefan und Markus gingen
getrennt vor. Die Möblierung war schlicht, um nicht zu sagen ärmlich. Im Schlafzimmer
stand eine Klappcouch, ein Nachttischchen aus stark abgenutztem hellen Holz und
eine fahrbare Kleiderstange, auf der nur wenige Kleidungsstücke hingen. Auf
einem Teil der Kleiderstange lagen ein paar fein säuberlich gefaltete Pullover.
Auf einer Ablage unter den Kleidungsstücken, standen zwei Paar Schuhe. Ein Paar
dunkelbraune Laufschuhe sowie ein Paar schwarze Pumps, mit einem nicht sehr
hohen Absatz. Alles eher solide.
Im Wohnzimmer standen eine
Couch und ein Sessel, die offensichtlich nicht zusammen gehörten. Sie hatten
ganz unterschiedliche Formen und verschiedene Bezüge. Vor der Couch stand ein
kleiner Glastisch. Die Platte war an einer Seite gesprungen. Auf dem Glastisch
befand sich ein Spitzendeckchen. An der Wand waren einige Regale angebracht,
auf denen Miniaturglasfigürchen standen und zwei Bücher. Ein
deutsch/tschechisches Wörterbuch und ein sehr dickes Buch in vermutlich
tschechischer Sprache. Der Sitzgruppe gegenüber stand auf dem Boden ein kleiner
Fernseher, in der Größe, wie man sie häufig in Campingwagen findet. Die Wohnung
war mit Teppichboden in einem hellen Beige ausgelegt. Ein wahres Highlight in
der sonst eher tristen Wohnung. Als Ersatz für eine Garderobe waren einfach ein
paar dicke Nägel in die Wand geschlagen worden, an denen nur ein hellgrauer
Trenchcoat hing. Im Badezimmer fanden sich auf der Ablage unter dem Spiegel die
üblichen Utensilien einer Frau. Eine kleine Kosmetiktasche, gefüllt mit
Make-up. Außerdem stand eine Zahnbürste in einem Zahnputzglas. Auf dem
Waschbecken lag eine grüne Seife. Neben dem Waschbecken hingen auf runden
Ringen zwei Handtücher und über der Badewanne hing ein großes Handtuch. Soweit
völlig normal.
Alles deutete darauf hin, dass
die Mieterin ihre Wohnung tatsächlich verlassen hatte, denn es gab keine
Handtasche, kein Portemonnaie und keinen Ausweis.
Stefan und Markus verließen die
Wohnung wieder, schlossen zwei Mal ab und kehrten zu Frau Semmler zurück. Die
Wohnungstür von Frau Semmler war nur angelehnt. Markus klopfte leise an die Tür
und von innen war zu hören „Kommen Sie nur herein“.
Die beiden Männer betraten die
Wohnung und gingen direkt ins Wohnzimmer, wo Frau Semmler auf den Couchtisch
drei Kaffeetassen, ein Kännchen mit Milch, ein Zuckerdöschen, sowie einen
Teller mit Schwarzweißgebäck gestellt hatte. Ihr Gesicht strahlte wieder und
hatte eine sehr rosige Gesichtsfarbe. Ganz offensichtlich war sie froh über den
Besuch.
Frau Semmler stand in der Mitte
des Wohnzimmers und knetete ihre Hände.
„Bitte, nehmen Sie doch Platz,
der Kaffee kommt gleich.“
Markus und sein Kollege setzten
sich auf die überdimensionale Rundcouch, die sie sogleich zu verschlingen
drohte, weil die Polsterung weich wie Watte war. Die Folge davon war, dass
beide Männer tief im Polster einsanken, mit den Knien knapp unter dem Kinn. Sie
sahen sich an und grinsten. Stefan kämpfte sich weiter nach vorne, um in eine
aufrechtere Haltung zu kommen.
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