Gesicht im Schatten: Idylle - Stalking - Mord
ließ noch einmal den
gestrigen Abend Revue passieren, mit allem was sich ereignet hatte. Am meisten
wunderte ich mich darüber, wie gut es mir getan hatte, mit Stefan zu sprechen.
Er schien mir gar nicht böse zu sein und nachdem ich die erste Aufregung
überwunden hatte, hatte ich gespürt, dass das Gespräch für mich so war, wie in
alte bequeme Schuhe zu treten und sich einfach wohl zu fühlen. Der Gedanke an
ein eventuelles Treffen am Montagmittag versetzte mich aber dennoch in eine
gewisse Aufregung.
Inzwischen waren Amelie und ich
am Segelclub angekommen. Da der Club eine große Fläche einnahm, konnte ich den
See mehr ahnen als sehen. Ich würde noch ein Stück weitergehen müssen, bevor
ich einen Blick auf den See werfen könnte.
Ich rief nach Amelie, die sich
mal wieder nicht von einer bestimmten Stelle losreißen konnte und ging mit
zügigen Schritten weiter. Die Luft war kalt aber trotzdem frisch und angenehm.
Ich atmete tief ein und meine Lungenflügel jubelten.
Noch ein paar Meter und ich
würde den Blick auf den schönen Liblarer See in vollen Zügen genießen können.
Der See hat die überschaubare Größe von gut vier bis fünf Fußballfeldern, und
seine Tiefe beträgt mehr als 30 Meter.
Da war er nun, der See lag
wunderschön in der hell leuchtenden Sonne und ich strebte dem Ufer zu, um dort
einen Platz zu finden, von wo aus ich die vielleicht letzten Sonnenstrahlen in
diesem Jahr genießen konnte. Ich ging näher zum See, und wie Rose auf dem Bug
der Titanic schützte ich meine Augen mit erhobener, ausgestreckter Hand gegen
die Sonne und schaute über den See. Das Blau des Sees war dunkler als der blaue
Himmel, bildete jedoch einen wunderbaren Kontrast.
In der Mitte des Sees entdeckte ich die große Segeljacht.
Ich hatte die Begegnung mit dem Bootsbesitzer schon längst vergessen. Wie lange
war das her? Zwei Wochen oder drei Wochen? Die Zeit raste mal wieder nur so
dahin. Ich beschloss, mir die Jacht nun mal etwas genauer anzusehen. Ich kannte
mich im Segelsport nicht gut aus, aber man brauchte kein großer Kenner zu sein,
um zu sehen, dass es sich wohl um einen Rolls-Royce der Segelboote handeln
musste. Sie thronte geradezu majestätisch in der Mitte des Sees und wiegte sich
sanft mit den Bewegungen des Wassers. Wie hieß noch gleich der Skipper? Hatte
er sich überhaupt vorgestellt. Ich konnte mich nicht mehr erinnern. Das
einzige, was mir sofort wieder einfiel waren seine himmelblauen Augen.
Ich fand keine Stelle, an der
ich mich von der Sonne hätte bescheinen lassen können und beschloss weiter zu
gehen. Ein wenig enttäuscht ging ich weiter. Der Weg entfernte sich wieder,
wenn auch nur wenige Meter, vom See. Wenn ich zu lange an einer Stelle stehen
blieb, kam Amelie nur auf dumme Gedanken. Amelie war daher auch hocherfreut,
als ich sie rief und ihr zu verstehen gab, dass wir weitergingen. In meinem
normalen Tempo ging ich weiter, ein wenig in Gedanken versunken. So oft ich
konnte, versuchte ich einen Blick auf den See zu erhaschen. Ich kam an eine
Stelle, an der der See eine Biegung macht. Im Sommer gibt es an dieser sehr
geschützten Stelle jede Menge blühender Seerosen, die aber durch dichtes
Buschwerk nur schwer zu sehen sind. Jetzt, wo das Laub schon abgefallen war,
hatte man einen freien Blick auf diese Stelle, an der sich die Seerosenblätter
auf dem Wasser wiegten, aber längst keine Blüten mehr hatten. Nach weiteren gut
einhundert Metern verlangsamte Amelie ihren Schritt. Sie ging nur zögerlich
weiter, was bedeutete, dass wohl ein Mensch oder ein Tier in der Nähe waren.
Ich versuchte beruhigend auf sie einzureden und konnte im nächsten Moment den
Grund für ihr Verhalten erkennen. Das Beiboot, das ich vor ein paar Wochen
entdeckt hatte und mit dessen Besitzer ich mich kurz unterhalten hatte, lag an
der gleichen Stelle wie damals. Ein Mann war dabei, jede Menge Einkaufstüten in
das Boot zu laden. Amelie lief gleich aufgeregt in Richtung dieses Mannes,
wobei ihre Hundemarke am Halsband klimperte.
Der Mann sah von seiner
Tätigkeit auf und ich erkannte, dass es der gleiche war, den ich schon kennen
gelernt hatte.
„Ja, wer kommt denn da? Ist das
die Amelie?“
Mir rief er zu „Guten Morgen,
der Name ist doch richtig, oder?“
Mein Herz schlug heftig und mir
wurde sehr warm unter meinen beiden Jacken. Was war nur mit mir los.
Mit starkem Herzklopfen ging
ich auf ihn zu, um ihm die Hand zu reichen. Was für ein Mann – die schwarzen
Haare waren ein wenig
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