Gesicht im Schatten: Idylle - Stalking - Mord
in mein Adressbuch werfen, da ich Stefans Telefonnummer
nicht mehr auswendig wusste.
Ich wählte langsam die Nummer.
Eine Zahl nach der anderen, und eine Stimme in meinem Kopf rief immer ‚Drück
auf Stopp, tu es nicht’.
Ich tat es doch. Nachdem ich
alle Zahlen eingetippt hatte, wartete ich auf das Rufzeichen. Aber – besetzt!
War dies ein kleiner Hinweis, es tatsächlich zu lassen? Ich war der
Verzweiflung nahe. Ich ging zum Kühlschrank und goss mir etwas Rosé in mein
Glas und trank es pur in einem Zug aus. Ich musste mir eingestehen, dass es
mich doch Mut kostete, nach fast einem Jahr mit Stefan zu sprechen. Vielleicht
sollte ich es doch nicht tun. Gab es wirklich keine andere Lösung? Konnte mir
sonst niemand helfen? Mein Vertrauen in die Unterstützung der Polizei war nur
gering und ich wollte nicht Gefahr laufen, von der Polizei gedemütigt zu
werden, indem man mich mit nichtssagenden, warmen Worten wieder nach Hause
schickte.
Ich riss mich zusammen und
drückte die Wahlwiederholungstaste. Es dauerte zwei Sekunden, bis die
Verbindung hergestellt war und ich bekam ein freies Rufzeichen. Es klingelte
zwei Mal, drei Mal, vier Mal und ich wollte gerade den Ausknopf drücken, als er
sich meldete.
„Wirtz!“
„Hallo Stefan, hier ist
Susanne“, krächzte ich vor lauter Aufregung in den Hörer.
„Ich hoffe, ich störe nicht.“
„Ah, du bist es.
Que pasá?“
Nun war ich vollends von der
Rolle. War das Stefan? Er fragte mich, wie es mir geht. Ihm schien es
jedenfalls besser zu gehen als ich dachte und vor allem auch besser als mir.
„Stefan, entschuldige bitte,
dass ich um diese Uhrzeit noch bei dir anrufe und vor allem so ganz ohne
Vorankündigung. Wenn du Besuch hast oder wenn du jetzt keine Zeit hast, dann
kann ich auch noch mal anrufen.“ Am liebsten wäre ich auf der Stelle im
Erdboden versunken. Was war ich doch für ein Rindvieh.
„Nein, du störst überhaupt
nicht. Ein wenig überrascht bin ich schon. Ich dachte schon du würdest dich gar
nicht mehr bei mir melden, obwohl du es versprochen hattest. Aber Schwamm
drüber, du hast wahrscheinlich so viel zu tun.“
„Ja, genau“, stammelte ich
einfallslos vor mich hin.
Stefan war im Moment der
souveränere von uns beiden, deshalb war er es auch, der das aufkommende
Schweigen unterbrach.
„Erzähl doch mal. Wie geht es
dir denn und was verschafft mir die Ehre, dass du mich nun doch anrufst.“
Am liebsten hätte ich gesagt,
dass es gar nichts gibt, und dass es ein Fehler war, ihn anzurufen. Aber das
wäre einfach zu blöd gewesen.
„Tja, ich weiß gar nicht wo ich
anfangen soll. Dass ich einen Hund habe, das hast du vielleicht schon gehört.
Es ist eine Rottweiler-Hündin. Sie heißt Amelie und ist eine richtige
Schmusemaus. Ich habe auch eine schöne Wohnung gefunden, tja, aber interessiert
dich das? Ich weiß jetzt im Moment gar nicht so genau, was ich sagen soll.“
Mein Gott was war ich eine
blöde Kuh. Ich stammelte wie eine Sechsjährige vor mich hin.
„Aber es muss doch einen Grund
haben, weshalb du mich anrufst. Vielleicht möchtest du darüber sprechen.“
„Das ist ja gerade das Problem.
Ich weiß nicht, ob du mich nicht auslachst, wenn ich dir erzähle, weshalb ich
dich um Hilfe bitten möchte.“
„Fang doch einfach mal an. Mein
Berufsleben bringt so viele Unglaublichkeiten mit sich, dass ich bestimmt nicht
lachen werde. Indianer Ehrenwort!“
Langsam erkannte ich Stefan
wieder. Immer hilfsbereit wenn ich mit einem Problem zu ihm kam.
Ich erzählte ihm, dass ich das
Gefühl hatte, verfolgt zu werden und wen ich wegen der Briefe verdächtigte. Am
Ende erzählte ich ihm dann von der Schriftprobe, bei der mir Angela geholfen
hatte und fragte ihn, ob es möglich sei, mithilfe dieser Schriftprobe und den
Briefen eine Übereinstimmung feststellen zu können.
Stefan hatte schweigend
zugehört, ohne mich auch nur ein einziges Mal zu unterbrechen.
„Du scheinst ja ein aufregendes
Leben zu führen auf dem Land. Bei euch in der Gegend ist ja eine Menge los. Du
hast sicher von der Toten in der Zeitung gelesen. War das bei dir in der Nähe?
Und jetzt wirst du auch noch belästigt. Willst du nicht doch wieder nach Köln
zurückkommen? Also, ich meine ja nur, ganz ohne Hintergedanken. In Köln kommt
man allenfalls durch einen Verkehrsunfall ums Leben, aber bei euch ist es ja
gemeingefährlich. Dass man hier in Köln nur bei Verkehrsunfällen ums Leben
kommt, stimmt natürlich auch nicht so ganz, hier leben nicht nur Engel,
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