Gesicht im Schatten: Idylle - Stalking - Mord
verstrubbelt, was ihm ein jungenhaftes Aussehen gab, und
diese Augen. Einfach unbeschreiblich. Das Blau seiner Augen wetteiferte mit dem
blauen Himmel und dem blauen See und lag irgendwo zwischen Azur- und
Kornblumenblau.
„Guten Morgen“, sagte ich
dieses Mal etwas selbstsicherer als beim letzten Mal. Amelie drückte sich sehr
an sein Bein und er kraulte sie heftig hinter den Ohren. Man hätte meinen
können, dass dieser arme Hund nie Streicheleinheiten bekam.
„Ich hoffe, es stört Sie nicht,
dass Amelie sich so aufdrängt.“ Ich versuchte mich ein wenig in Konversation.
„Nein, ganz und gar nicht. Im
Gegenteil, ich freue mich sehr. Erinnern Sie sich, dass ich großer
Hundeliebhaber bin und nur wegen des Segelns im Moment keinen eigenen Hund
habe. Seien Sie also unbesorgt, ich habe so ein großes Herz für Hunde.“ Er
machte dabei eine überdimensional große runde Bewegung.
„Ist es heute nicht herrlich?
Ich hatte zwar damit gerechnet, schon längst wieder von hier weg gekommen zu
sein, aber wie Sie sehen ist nichts draus geworden. Meine große Sorge ist nur
die, dass der See bei anhaltend kalten Temperaturen zufriert. Der Schaden an
meinem Boot wäre dann beträchtlich. Solange es bei dieser Temperatur bleibt,
ist alles in Ordnung und ich hoffe nun darauf, dass der Motorschaden am Lkw
meines Freundes endlich in der nächsten Woche behoben werden kann, so dass ich
mein Boot in sein eigentliches Winterquartier bringen kann.“
„Ach, es ist also gar keine
Absicht, dass Ihr Boot hier auf dem Liblarer See liegt.“ Ich hatte keine Ahnung
vom Segeln und hatte mir daher auch keine großen Gedanken gemacht, ob es Sinn
machte ein Boot im Winter ins Wasser zu lassen.
„Nein, absolut nicht. Mein
Freund hat einen Lkw, der für eine hohe Zuglast zugelassen ist. Auf dem Weg zum
Winterquartier, ich habe einen Stellplatz in Daun, in der Eifel, fing sein
Wagen plötzlich an zu ruckeln. Als wir anhielten, lief der Motor noch und wir
erkundigten uns, ob es eine Möglichkeit gäbe, das Boot irgendwo zwischen zu
lagern. Wir schafften es dann gerade noch, das Boot hier an den Liblarer See zu
bringen, bevor sein Wagen völlig den Geist aufgab. War das ein Theater. Erst
mussten wir dafür sorgen, dass das Boot noch vor Dunkelheit ins Wasser kam und
dann brauchte mein Freund auch noch einen Abschleppdienst. Und nun bin ich hier
und warte darauf, dass sich mein Freund mit der guten Nachricht meldet, dass
sein Wagen wieder fit ist.“
Wir standen im hellen
Sonnenschein, Amelie schmiegte sich immer noch an das Bein dieses fremden, aber
sehr netten Mannes und man hätte meinen können, dass wir seit Jahren die
dicksten Freunde sind. Es war eine angenehme, friedlich Situation. Es war eine
Pause eingetreten, wo keiner so recht wusste, was er sagen sollte. Er ergriff
als erster wieder das Wort.
„Ich war eben einkaufen und
wollte mir gleich mein Frühstück machen. Darf ich Sie vielleicht dazu
einladen.“
Na, der ließ aber nichts
anbrennen. Ich fühlte mich ein wenig überrumpelt und wie schon bei unserer
ersten Begegnung war ich kaum in der Lage, einen vollständigen klaren Satz zu
formulieren, statt dessen stammelte ich nur „Sehr nett von Ihnen, aber ich habe
bereits gefrühstückt.“ Als wenn das von Bedeutung wäre.
„Aber auf einen Kaffee darf ich
Sie doch einladen. Oder wenn Sie mögen, kann ich Ihnen auch Tee anbieten. Das,
was man so zum Leben benötigt, ist an Bord vorhanden.“
Was hatte er da gerade gesagt,
was man so zum Leben benötigt. Ich fragte mich, ob das Boot auch dazu zählte.
Auch wenn ich kein Kenner des Segelsports bin, so konnte ich doch erkennen,
dass sein Boot sicherlich nicht zum Schnäppchenpreis zu haben war. Was sollte
ich jetzt tun. Einerseits fand ich es geradezu vermessen von ihm, mich nach ein
paar Minuten Unterhalten auf sein Boot einzuladen, aber irgendwie fand ich seine
Gesellschaft sehr anregend. Dumm war er nicht und dazu sah er auch noch so
blendend aus. Ich hätte stundenlang in seine tiefblauen Augen sehen können und
der Gedanke daran, jetzt einfach den Spaziergang mit Amelie fortzusetzen und
mich von meinem neuen Verehrer loszureißen, fiel mir schwer.
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„Was machen wir mit Amelie?“, war meine Antwort.
„Keine Sorge, die nehmen wir
einfach mit. Auf der kurzen Strecke mit dem Dingi wird sie schon nicht seekrank
werden und da das Boot am Heck mit einer schmalen Treppe ausgestattet ist, ist
der Einstieg sehr leicht zu bewältigen.“
Ich war nur noch sprachlos
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