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Gesichter der Nacht

Gesichter der Nacht

Titel: Gesichter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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Kriegsgefangenen hatte. Er hieß Li.
Und er war klein. Er hatte Komplexe, weil er so klein war. Also mochte
er mich nicht, denn ich war groß. Ich habe immer auf der unteren
Sohle gearbeitet, bis zu den Knien im kalten Wasser, zwölf Stunden
am Tag. Manchmal, wenn Li meinte, ich sei nicht fleißig genug,
hat er mich die ganze Nacht unten malochen lassen, während die
anderen alle wieder oben waren. Ich träume heute noch davon. Er
tauchte immer mitten in der Nacht auf und rief durch den Schacht was
runter. Gab ein lautes Echo. Manchmal ließ er mich auch fesseln
und schlug mich mit dem Stiel einer Hacke.«
    Maria weinte leise. »Bitte, hören Sie auf. Bitte.«
      Marlowe ignorierte sie. Er sprach weiter. »Und
was habe ich daraus gelernt? Ich will's Ihnen sagen. Es ist ganz
einfach.« Er hob die Faust. » Das! Das zählt.
Der Stiefel und die Faust. Ich bin mein Leben lang rumgeschubst worden.
Mein Alter, Hauptmann Li, O'Connor, Monaghan… Das ist alles
dieselbe miese Sorte, und mit der kann man nur auf eine Art
umspringen.«
    Maria wandte sich ab, und Magellan trat
einen Schritt vor und legte Marlowe die Hand auf den Arm. Er blickte
ihn mitfühlend an. »Ich weiß, wie es ist, wenn einen
der Teufel reitet. Aber gegen den mu ß man kämpfen, und nicht gegen den Rest der Welt.«
      Marlowe nickte müde. »Ich glaube, ich komme
auf Ihr Angebot mit dem heißen Bad zurück, Papa. Ich kann's
brauchen.«
      Er setzte sich in Bewegung. Am Fuß der Treppe
blieb er stehen. »Noch was, Papa. Dieser Job, von dem Sie geredet
haben. Wenn er noch zu haben ist, nehme ich ihn. O'Connor geht mir
allmählich auf die Nerven. Er erinnert mich an jemand, den ich mal
gekannt habe.«
      Der alte Mann strahlte. »Wunderbar, mein Junge.
Baden Sie in aller Ruhe, und danach unterhalten wir uns über
einige technische Dinge.«
      Marlowe drehte sich um und stieg die Treppe hinauf. Er
fühlte sich unsagbar müde. Er bereute seine Entscheidung
bereits, aber er hatte sich festgelegt. Was auch geschah –, er
würde sein Wort nicht brechen. Ihm war, als hätte ihn eine
starke Macht in der Hand, die ihn einem unbekannten Ziel entgegentrug.
    Er zuckte die Achseln und lächelte.
Was sollte es. Er hatte keine Angst vor O'Connor oder Monaghan oder
weiß Gott wem. Als er ins Badezimmer trat, wurde aus seinem
Lächeln ein breites Grinsen. O'Connor tat ihm fast leid. Der
würde sich noch wundern.

    4

    Der Morgen war kühl, aber es regnete nicht, und leichter
Dunst hing über den Feldern hinterm Haus, als Marlowe über
den Hof zur alten Scheune ging. Er hörte Stimmen von drinnen und
blieb einen Augenblick vor dem Tor stehen, um sich eine Zigarette
anzuzünden, bevor er eintrat.
      Kalte, klamme Luft hüllte ihn ein wie ein nasses
Tuch, und ein Schauder lief ihm über den Rücken. Die Scheune
war hell beleuchtet durch mehrere Glühbirnen an einem Kabel, das
sich durch den ganzen Raum spannte. Maria Magellan und ein alter Mann
waren damit beschäftigt, Kisten und Säcke auf einen
Dreitonner zu laden. Er stand in der Nähe des Tors. Zwei weitere
Lastwagen parkten im Schatten am anderen Ende des Raumes.
      Als Marlowe sich näherte, drehte sich Maria um. »Guten Morgen«, sagte sie.
      »Hier ist es so gemütlich wie in einem Kühlschrank«, sagte Marlowe.
      Sie zuckte die Achseln. »Die Mauern sind fast
einen Meter dick. Genau richtig zum Lagern von Obst und
Gemüse.« Sie ging auf einen Teich an der Mauer zu und hob
einen Topf von einem kleinen Elektrokocher. »Kaffee?«
    Marlowe nickte. »Wo ist Ihr Vater?«
      »Im Bett.« Maria verzog das Gesicht.
»Rheuma, und er findet das gar nicht lustig. Er kriegt's dann und
wann bei Regenwetter. Wahrscheinlich muß ich ihn in seinem Zimmer
einschließen, damit er nicht nach draußen geht.«
    Marlowe trank einen Schluck von dem
heißen Kaffee und seufzte zufrieden, denn jetzt wurde ihm warm.
Er deutete mit einer Kopfbewegung auf den Lastwagen und den alten Mann,
der immer noch Kisten einlud. »Sie fangen früh an.«
      »Das muß man in unserer Branche, sonst hat man keine Chance«, sagte Maria.
      »Sie hätten mich wecken sollen, dann hätte ich Ihnen geholfen«, sagte Marlowe.
      »Oh, nur keine Sorge«, erwiderte sie.
»Ein andermal. Ich wollte Ihnen bloß ein bißchen Zeit
lassen am Anfang.«
      Der alte Mann kam näher, eine Pfeife und einen
Tabaksbeutel in der gichtigen Hand. Er trug eine schmuddelige
Cordmütze und einen alten Anzug mit Flicken. Seinem Aussehen nach
zu

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