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Gesichter der Nacht

Gesichter der Nacht

Titel: Gesichter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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schließen, war er mindestens siebzig. »Das hätten
wir, Miß Maria«, sagte er mit dünner Stimme.
»Ich gehe jetzt ins Gewächshaus.«
      Maria lächelte freundlich. »In Ordnung,
Dobie. Um neun gibt's Frühstück.« Er wandte sich zum
Gehen, und sie fügte rasch hinzu: »Oh, Dobie, das ist Hugh
Marlowe. Unser neuer Fahrer.«
      Der alte Mann blickte Marlowe mit leeren,
wäßrigen Augen an und nickte. Dann drehte er sich um,
zündete sich seine Pfeife an und verschwand im grauen Morgen.
      »Ist der Ihnen wirklich eine Hilfe?«
fragte Marlowe. »Er sieht so alt aus… man traut ihm kaum
zu, daß er noch den ganzen Tag arbeiten kann.«
      Maria goß sich eine Tasse Kaffee ein und zog die
Schultern hoch. »Wenn er aufhören würde zu arbeiten,
würde er sterben. Es gibt solche Menschen. Jedenfalls kenne ich
niemand, der soviel vom Gärtnern versteht wie er. Wir brauchen
ihn.«
      Marlowe schenkte sich Kaffee nach. »Trotzdem ist
er zu alt, um Kartoffelsäcke auf einen Laster zu wuchten. Wecken
Sie mich nächstens, bitte.«
    Sie schaute ihn verärgert an.
»Keine Bange, Mr. Marlowe. Ich werde schon dafür sorgen,
daß Sie sich Ihr Geld auch wirklich verdienen.«
      Er grinste und steckte sich wieder eine Zigarette an.
»Ich habe nicht vor, auf der faulen Haut zu liegen.«
      Er ging zum Lastwagen und machte die Ladeklappe zu. »Was soll ich mit der Fuhre anfangen?«
      »Es gibt zwei Möglichkeiten«, sagte
Maria. »Sie verkaufen die Ware auf dem Markt oder Sie klappern
den Einzelhandel ab wie Bill Johnson gestern.«
      »Hat es überhaupt einen Sinn, es auf dem
Markt zu versuchen?« fragte Marlowe. »Ich dachte, da hat
O'Connor überall die Finger drin.«
      »Mit einer Ausnahme«, sagte Maria.
»Es gibt noch einen Großhändler, der unabhängig
ist. Der alte Sam Granby. Er war lange Zeit krank, und sein Neffe Tom
hat derweil das Geschäft geführt. Tom steckt mit O'Connor
unter einer Decke, aber der alte Herr nicht. Wir haben gestern
erfahren, daß er heute vielleicht wieder im Geschäft ist.
Sie können es also auf einen Versuch ankommen lassen.«
    Marlowe nickte. »Dann mache ich mich gleich auf den Weg.«
      Maria runzelte die Stirn und zog ein Blatt Papier aus
der Tasche. »Das hätte ich fast vergessen«, sagte sie.
Marlowe betrachtete den Zettel. Es war eine Preisliste. »Darunter
dürfen Sie nicht gehen«, erklärte Maria, »sonst
setzen wir zu.«
      Marlowe grinste. »Und das ist nicht der Sinn der
Sache«, sagte er. »Keine Sorge. Ich kriege die Preise, die
Sie wollen.«
      Maria holte eine Art Armeejacke mit Pelzbesatz aus
einem Spind und warf sie Marlowe zu. »Ziehen Sie die an«,
sagte sie. »Im Fahrerhaus kann es ganz schön kalt
werden.«
      Er schlüpfte in die Jacke und kletterte hinters
Steuer. Als er die Tür zuschlug, kam Maria ein Stück
näher und fügte hinzu: »Vergessen Sie eins nicht,
Marlowe. Halten Sie sich aus allen Scherereien heraus.«
    Er zog den Starter, und der Motor sprang an. Er musterte das
    Mädchen mit spöttischem Blick. »Da machen Sie sich
nur keine Gedanken, mein Engel. Ich hasse Scherereien.«
      Sie schaute ungläubig drein, und er löste
die Handbremse und rollte auf den Hof hinaus, bevor sie etwas erwidern
konnte.
      Die Fahrt nach Barford dauerte eine knappe halbe
Stunde. Marlowe hatte das Fenster heruntergekurbelt, und der kühle
Morgenwind befächelte seine Wange. Er hatte keine Angst vor dem,
was passieren konnte, wenn er auf den Markt kam, obwohl anzunehmen war,
daß Kennedy seinem Chef bereits von den Ereignissen des Vortags
Bericht erstattet hatte.
      Die Straßen von Barford lagen still und
verlassen da, doch als Marlowe auf den großen, mit Kopfsteinen
gepflasterten Platz in der Stadtmitte fuhr, sah er, daß hier
dreißig oder vierzig Laster und Lieferwagen parkten. Es ging so
geschäftig zu wie in einem Bienenstock; Männer wimmelten
zwischen den Fahrzeugen und stießen große Handkarren voll
Obst und Gemüse vor sich her.
      An der Südseite des Platzes, direkt an der Ecke
einer schmalen Straße, ragte ein gewaltiges Lagerhaus in den
Himmel. Hoch oben an der Fassade war ein gelbes Schild mit der
Aufschrift INTER-ALLIED TRADING CORPORATION angebracht. Ein paar Meter
weiter wies ein anderes Schild mit verblaßten Buchstaben auf Sam
Granbys Großhandlung hin.
      Marlowe stellte den Laster in der Nähe von
O'Connors Lagerhaus ab und bahnte sich seinen Weg durch die emsige
Menge. Vor Sam Granbys Großhandlung befand sich eine

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