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Gesichter der Nacht

Gesichter der Nacht

Titel: Gesichter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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leid. Das habe ich
falsch gesehen.«
      »Sie haben so manches falsch gesehen«,
erwiderte Masters. »Und das schon seit geraumer Zeit.« Er
klopfte gegen die Reisetasche. »Es war alles umsonst, Marlowe.
Wenn Sie so vernünftig gewesen wären, uns bei Ihrem
Prozeß zu sagen, wo das Geld ist, hätten Sie höchstens
fünf Jahre gekriegt. Statt dessen waren Sie verbiestert, und der
Richter hat das Strafmaß erhöht. Sie haben zwei Jahre
zusätzlich gesessen – für nichts und wieder
nichts.«
    Marlowe machte eine unwillige
Handbewegung. »Na schön, war ich eben ein Schwachkopf, aber
es gibt Wichtigeres im Moment. Ich kann Ihnen das Geld nicht
überlassen. Ich brauche es.« Die beiden Männer blickten
ihn verdutzt an, und Marlowe fuhr fort: »Faulkner war hier.
Deswegen war ich so wütend. Ich dachte, Sie hätten ihm
verraten, wo ich bin. Er hat Maria Magellan entführt. Vorhin hat
er mich angerufen. Er hat mir eine Stunde Zeit gegeben. Bis dahin will
er das Geld sehen, sonst passiert was.« Er schaute auf seine
Armbanduhr. »Und mir bleibt nur noch eine halbe Stunde.«
      Masters lachte kalt. »Sie werden doch nicht
erwarten, daß wir Ihnen diese Geschichte glauben, Marlowe? Halten
wir uns an die Tatsachen. Sie wollten abhauen, nicht?«
      Leise Panik regte sich in Marlowe. »Sie
müssen mir glauben. Sie können das Haus durchsuchen. Sie
werden das Mädchen nicht finden.«
      Masters wandte sich Alpin zu und hob die Augenbrauen. »Was meinen Sie?« fragte er.
      Alpin runzelte die Stirn und trat ans Fenster.
»Ich kenne Maria Magellan. Normalerweise wäre sie
hier.« Er seufzte. »Leider ist ihr Vater soeben bei einem
Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Sie könnte hier wohl kaum mit
Marlowe und Mackenzie die Stellung halten.«
      Masters nickte. »Das hört sich einleuchtend
an.« Er drehte sich Marlowe zu und schüttelte den Kopf.
»Tut mir leid, mein Freund, aber wir kaufen Ihnen das nicht
ab.«
      Marlowe war jetzt völlig gelassen, völlig
sicher. Er machte einen Schritt vorwärts, und diesmal unterlief
ihm kein Fehler. Seine linke Faust traf Masters in den Magen. Der
hochgewachsene Mann von der Kripo knickte ächzend zusammen.
      Marlowe war aus dem Zimmer, bevor Alpin etwas
unternehmen konnte. Er knallte die Haustür hinter sich zu und
rannte in den Regen hinaus. Er kletterte ins Fahrerhaus des Lastwagens,
klemmte sich hinters Steuer, ließ den Motor an. Als die
Haustür sich öffnete und Alpin auf der Schwelle erschien, war
Marlowe halb über den Hof und schaltete in den zweiten Gang.
    Es wehte Regenfahnen durch die Luft. In
der Ferne grollte Donner. Marlowe wischte sich Regenwasser aus den
Augen und konzentrierte sich auf die Straße. Es war fast
unmöglich, etwas zu erkennen, und er konnte sich jetzt keinen
Unfall leisten.
      Er blickte auf seine Uhr. Ihm blieben noch zwanzig
Minuten, um zur Mühle zu kommen. Was er allerdings tun sollte,
wenn er dort angelangt war, war ihm ein Rätsel. Der Lastwagen
dröhnte den Hügel hinauf, am Bahnhof vorbei, und ein
ironisches Lächeln kräuselte Marlowes Lippen, als er an der
Lücke in der Hecke vorbeifuhr, durch die er sich an jenem
schicksalhaften Tag gezwängt hatte, dem Tag seiner Ankunft in
Litton. Er dachte an das zurück, was seitdem geschehen war.
Vielleicht hätte er nicht aus dem Zug steigen sollen? Er
schüttelte den Kopf. Das war keine Lösung: Das Leben war ein
Glücksspiel, und man wußte nie, welche Karten man vom einen
Moment auf den anderen in der Hand halten würde.
      Marlowe trat auf die Bremse, bog in den schmalen Weg,
der zur Garvald-Mühle führte. Er runzelte die Stirn und
versuchte, sich in allen Einzelheiten an die Karte zu erinnern. Die
Mühle, so hatte er sich ausgerechnet, war etwa fünfhundert
Meter von der Landstraße entfernt und würde ziemlich
unerwartet nach einer scharfen Kurve in Sicht kommen. Er fuhr
langsamer, steuerte den Lastwagen an den Wegrand, hielt.
      Er sprang in den Regen hinaus und ging zu Fuß
weiter. Nach knapp fünfzig Metern kam die Kurve, und als er dort
war, verschwand er im Wald und näherte sich durch eine
Tannenschonung der Mühle, die undeutlich durch die Bäume zu
erkennen war.
    Hinter einem Busch ging er in Deckung. Er
betrachtete das Gebäude. Es bestand in der Hauptsache aus einem
großen, dreigeschossigen, turmartigen Klotz. Das Dach war
abgedeckt. Davor ein hölzerner Anbau. Sah aus wie ein Stall oder
ein Speicher. Er schien in einem etwas besseren Zustand zu sein als der
Rest des

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