Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesichter im Nebel (German Edition)

Gesichter im Nebel (German Edition)

Titel: Gesichter im Nebel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Feyerabend
Vom Netzwerk:
Mariner, dann wieder ein Seefahrer, der am Tosen der Brandung erkennt, dass er gleich und unweigerlich stranden wird, weil er einem falschen Leuchtfeuer folgte.
    Und ich durchlebte so in den nächsten Monaten die verschiedensten Schicksale, menschliche Tragödien, die sich vermutlich in diesen Gewässern hier ringsum abgespielt haben. Meist wachte ich schweißgebadet auf. Meine Frau starrte mich entsetzt an und teilte mir mit, dass ich im Traum um mich geschlagen und wie ein Wilder geschrien hätte. Das führte schließlich soweit, dass sie ihre Bettstatt in einem anderen Raum aufschlug. Überhaupt entfremdeten wir uns immer mehr. Sie wurde das, was manche Leute als bigott bezeichnen, betete unaufhörlich und war fast mehr in der Kirche als in der Küche.
    Bibel und Rosenkranz lagen ständig in Reichweite und zeitweise vernachlässigte sie sogar fast alle häuslichen Pflichten. Ich glaube, sie hat diese Hand aus dem Jenseits als Signal für ihren nahen Tod interpretiert und wollte sich durch ihre übertriebene Frömmigkeit von aller Schuld auf Erden reinwaschen, gottgefällig sein. Für mich bedeutete das manchmal doppelte Mühe, denn ich war es deswegen auch, der sich um die Kinder kümmern musste.
    Aber ich klage nicht, nein, vielleicht war es ein gottgewolltes Schicksal zur Sühne für all’ meine Jugendsünden, wie etwa die mit der ‚Roten Susan’ in Baltimore. Ja, ich gestehe, dass ich ihr einige Male beiwohnte, also nach unserem christlichen Verständnis die Ehe brach. Sie betrieb am Hafen eine übel beleumundete Kaschemme und war ein stattliches Weib, das es verstand, ihren Unterleib gewinnbringend und sündig zum eigenen Vorteil einzusetzen. Obwohl es ohne Zweifel schön mit ihr war und mit diesem Weib so ungehemmt umzugehen mir Vergnügen bereitete, schäme ich mich heute dafür. Das Fleisch ist nun einmal in jungen Jahren schwach, selbst wenn der Geist stark ist.
    Es mag allerdings zu diesen Sündenfällen verbotener Fleischeslust beigetragen haben, dass viele unserer Frauen nur verschämt über solche Dinge sprachen, sich sehr oft zierten und die Kerze ausbliesen, wenn es einmal die Woche zum ehelichen Beischlaf kam. Für unser heißes Männerblut war das natürlich nicht genug und so endete so mancher Fischzug im Hafen von Baltimore und im Netz der ‚Roten Susan’ sowie jener Frauen, die bei ihr im Dunkel ein- und ausgingen – manche aus blanker Not, um sich etwas dazu zu verdienen oder mal heimlich selbst Bier oder Whiskey zu trinken. Dann ließen diese angetrunkenen, schamlosen Dinger schon mal nur für einen Drink ihre Brüste blinken oder gar die Hüllen ganz fallen und die trunkenen Mannsbilder johlten.
    Nun büße ich das alles ab und in einem gewissen Sinn geschieht es mir ganz zu Recht. Wer allerdings ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein. Nach der Kenntnis all meiner Genossen im Haus der ‚Roten Susan’ würden von uns Männern an der Küste kaum Steine fliegen.
    Ich habe dies alles im Verlauf vieler Monate und in aller Heimlichkeit niedergeschrieben, denn wie ich schon sagte, ich bin kein federgewandter Mann. Auch musste ich mir von Zeit zu Zeit neues Pergament und Tinte besorgen und das gab es nur auf dem Mainland. Oft unternahm ich deswegen unter einem Vorwand lange und mehrtägige Fahrten mit dem Pferdewagen bis Cork. Bei meiner Frau kam darüber kein Misstrauen auf, sie war zu sehr mit ihren Litaneien beschäftigt.
    Nun hatten sich ja auch für einige Jahre die Franzosen bei uns eingenistet. Ihr Kaiser, Napoleon Bonaparte, hatte sie angewiesen, jene englischen Segelschiffe zu kapern, die mit allerlei Versorgungsgütern aus der Neuen Welt für die britische Majestät vorbei segelten. Die Frogs bauten sogar ein Lighthouse am Berg über dem Südhafen, dessen Feuer nachts weit über die See leuchtete. Es sollte den Schiffen signalisieren, dass hier Europa beginnt und gefährliche Klippen lauern. Denn so mancher stolze Segler war bereits an der irischen Küste gestrandet. Früher hatten unsere Leute, wenn wir Fischer noch draußen waren, in der Dunkelheit einfache Feuer entfacht, die taten ihren Dienst auch, waren aber natürlich nicht so weitreichend.
    Im Südhafen jedenfalls ankerten nun die Franzosen und stürzten sich regelmäßig auf die englischen Kauffahrer.
    Uns gefiel das recht gut, war doch ‚John Bull’ mehr als verhasst. Und die Franzmänner brachten zudem Geld auf unsere Insel. Die Briten, die ja auch noch dem Irrglauben des Protestantismus anhängen, hatten

Weitere Kostenlose Bücher