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Gesichter im Nebel (German Edition)

Gesichter im Nebel (German Edition)

Titel: Gesichter im Nebel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Feyerabend
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schließlich unser Land in Besitz und uns die Freiheit genommen. Dafür, so meinten wir, bezahlten jetzt einige zu Recht mit dem Leben. Manchmal, wenn ihre fetten Schiffe nicht beidrehten, war der Kanonendonner von Gefechten bis in mein Haus zu hören. Aber, und das war die Kehrseite der Medaille, jetzt spukten wohl auch die Seelen der dabei Getöteten in den Wassern um Cape. Und das war weniger schön für mich, denn ich war der einzige Mensch, der darum wusste.
     So konnte ich auch so manches spätere Geschehen einordnen, bei dem plötzlich einer der Soldaten auf rätselhafte Weise über die Klippen stürzte. Und wieder war eine neue Seele rastlos unterwegs.
    Meine unheimlichen Träume hielten die ganze Zeit an. Einmal sah ich Dutzende verwesender Körper im Wasser zwischen den Schlieren dunkelbraunen Blasentangs treiben, alle – wie ich wusste – Opfer von Schwerthand und seinen Mordgesellen. Ein andermal wohnte ich einem keltischen Menschenopfer bei und fand das im Traum sogar ganz in Ordnung. Es diente ja dazu, die Götter zu beschwichtigen und gnädig für uns Irdische zu stimmen. Der Druide rammte dem Opfer einen Dolch ins Herz, beugte sich über den solchermaßen Ermordeten und weissagte die Zukunft. War ich allerdings wach, schüttelte es mich vor Schrecken über das Heidentum dieser Menschen und die grausige Bluttat im Namen einer mir fremden, heidnischen Religion.
    Das war ja gerade das Seltsame: Die Episoden meiner nächtlichen Gesichte reichten über viele Jahrhunderte hinweg, weckten allerdings das Bewusstsein darüber, wie unsere Insel besiedelt wurde und die Menschen hier in grauer Vorzeit hausten, als eigener, kleiner Staat im Ozean überlebten, ja sogar lange Zeit einen König aus der vermaledeiten Driscoll-Sippe beherbergten. Dann sah ich Dunamore Castle in seinem früheren Zustand, eine Flagge auf den Zinnen und eine Zugbrücke, hörte die beim Waschen geschwätzigen Burgfrauen und blickte im Nordhafen auf die plumpen Schiffe einer frühen Zeit. Wir alle hier, so wurde mir bewusst, sind die Ururenkel dieser frühen Siedler, geretteter Schiffbrüchiger, die hier blieben, die Nachkommen von Abenteurern sowie Generationen von Fischern und einfachen Bauern unter wechselnden Herrschaften, ja einige sogar aus jener längst ausgestorbenen Milesain-Rasse stammend, die noch vor den Kelten Irland besiedelt hat.
    Auch spielte in meinen Visionen einmal das Anlanden spanischer Galeonen eine Rolle. Die Armada der Hispanioler war 1588 von einem wütenden Sturm bei ihrem Angriff auf die verhassten Engländer zerstreut worden und einige Spanyards blieben denn auch gleich an unseren Küsten hängen, heirateten und zeugten Kinder.
    Es war allemal besser als die Fron auf den Schiffen der allerkatholischsten spanischen Majestät und ihrer Admiralitäten. Es war damals ohnehin und ungeachtet der jeweiligen Nationalitäten kein Zuckerschlecken, auf einem dieser Schiffe Dienst zu tun, auf engstem, feuchtem, stickigem Raum zu leben und miteinander auszukommen. Einige Seeleute, wie beispielsweise bei der britischen Flotte, waren sogar in Hafenkneipen oder Übernachtungsherbergen ‚shanghait’ und zum Dienst auf den Schiffen gepresst worden. Kein Wunder, wenn sie dann bei erstbester Gelegenheit ausrissen oder gar in der Karibik zu Korsaren wurden.
    Das Durchleben all dieser Schicksale führte beinahe dazu, dass für mich Vergangenheit und Gegenwart ineinander verflossen und ich gelegentlich richtig erschrak, wenn ich einigen Bewohnern der Insel begegnete. Sie hatten fatale Ähnlichkeiten mit Gestalten aus dieser Traumwelt. Sie waren eben schlicht Nachkommen der betreffenden Personen und so entstanden diese frappierenden Gleichheiten in Wuchs, Gesichtszügen, Augen- und Haarfarbe, die trotz aller Vermischungen mit anderem Blut immer wieder und noch nach Generationen durchbrachen.
    Ich hütete mich allerdings davor, von diesem Wissen Gebrauch zu machen, denn einige hatten in ihrer Ahnenreihe gar wilde Bösewichte aufzuweisen. Und es wäre bestimmt nicht richtig, sie nur deswegen zu missachten, sie können ja schließlich nichts dafür und haben sich auch längst zu braven Bürgern entwickelt.“
    „Aha“, dachte Paddy, „das ist etwa so wie in Australien und Amerika. Auch diese Nachfahren sind schließlich nicht für ihre verbrecherischen Vorfahren verantwortlich.“
    So unrecht waren die Lebensphilosophien des Caper Fischers wirklich nicht, ja sogar erstaunlich weltoffen. Vielleicht kam es davon, dass seine Mutter,

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