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Gesichter im Nebel (German Edition)

Gesichter im Nebel (German Edition)

Titel: Gesichter im Nebel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Feyerabend
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ziehen die sich sogar nackich aus, wie Mama und Papa in der Nacht, wenn sie glauben, wir schlafen schon.“
    „Du dummes Huhn, das ist Liebe machen. Wenn du groß bist, tust du das auch!“
    „Und du erst recht, du bist ja viel älter!“
    Dann sputeten sie sich, kicherten noch im Laufen. Sie wollten nicht zu spät in die Schule kommen. Das sah der gestrenge Herr Lehrer gar nicht gern. In Sachen Pünktlichkeit war er ganz und gar nicht irisch.
     
    Brighid und Patrick erreichten bald das alte Lighthouse. Ein frischer Seewind hatte sich aufgemacht und pfiff schrill durch die Fensterhöhlen. Wie immer war die Rundumsicht einmalig, wenngleich heute der Horizont nicht so klar war wie an den herrlichen Sonnentagen zuvor. Milchig verschwamm er mit der See. Und die ging immer noch hoch. Gewaltige Gischtwolken stieben an den Felsen empor, wurden mit dem Wind verweht, sodass sogar in dieser Höhe die Luft salzig schmeckte.
    Ganz plötzlich lehnte sich Brighid an Patrick und zeigte mit dem Finger nach Westen.
    „Da irgendwo liegt Amerika. Und wenn ich mir vorstelle, wie hier Napoleons Soldaten auf der Lauer lagen und nach englischen Frachtschiffen spähten, habe ich beinahe das Gefühl, es mitzuerleben. Alles hier ist voll geheimnisvoller Geschichten und nachts träume ich manchmal solche Sachen. Ist das nicht merkwürdig?“
    Patrick ließ sie gewähren und lauschte andächtig. Es war ein herrliches Gefühl, sie so dicht bei sich zu haben. Dann flüsterte er mit belegter Stimme:
    „Ja, das kann ich gut verstehen. Ich kenne solche Träume. Dann bin ich ein Pirat, stehe am Ruder einer Fregatte oder rauche in meiner Kajüte eine Tabakspfeife. Einmal war in diesen Träumen eine Frau an Bord, eine blonde mit einem langen Zopf. So wie du. Ja, ich glaube, sie sah dir sogar verdammt ähnlich. Und ich hatte diesen Traum, lange bevor ich dich auf der Brücke in Dublin sah. Es ist wirklich merkwürdig!“
    „Also, halte mich nicht für verrückt. Aber ich träumte letzte Nacht, ich sei die Frau eines Freibeuters. Und der sah dir sehr ähnlich!“
    Und ehe sie sich’s versahen, lagen sich beide in den Armen und küssten sich, erst verhalten, dann immer inniger. Es war, als habe sie eine unsichtbare Kraft aufeinander zugetrieben. Alle Schranken von Konventionen und Schüchternheit fielen wie von alleine ab. Und sie ließen es geschehen, waren beide gleichermaßen überrascht von der Selbstverständlichkeit, mit der sie sich in die Arme sanken, ohne große Worte, ohne zu denken. In ihren Träumen hatten sie es ja bereits getan.
    Es geschah alles wie nach einem ausgeklügelten Plan. Und hätten sie gewusst, dass es wirklich so war, wären sie erschrocken. So aber gaben sie sich dem Augenblick hin, kosteten in aller Unschuld die Umarmungen des anderen, ließen sich fallen, ertasteten sich und wussten, dass sie längst nach mehr verlangten.
    So bemerkten sie erst gar nicht, dass sich ein unliebsamer Zeuge eingestellt hatte und durch eine Öffnung des Mauerwerks lugte, blanken Hass, Wut und Enttäuschung im Gesicht. Jean-Pierre hatte sich ebenfalls auf den Weg gemacht, um seine Vögel zu beobachten. Der Wind trug ihm Laute zu, die er nur zu gut deuten konnte. Und wenn ihn nicht alles täuschte, war es die Stimme Brighids. So pirschte er sich näher, bis er schließlich vor den vollendeten Tatsachen stand.
    Nur mühsam konnte er sich beherrschen. Am liebsten hätte er sich sofort auf den Nebenbuhler gestürzt. Lediglich die Erinnerung an die Abreibung durch den verdammten Paddy, diesen anderen Inselaffen, hielt ihn davon ab. Er schlich sich davon, nun erst recht auf Rache und auf böse Vergeltung sinnend. Eins stand fest: Er musste diesen Kerl, diesen lausigen, irischen Bastard beseitigen. Es führte kein Weg daran vorbei. Böse blitzten seine Augen, die dunklen Locken flatterten im Wind, als er einen Bogen schlug und schließlich in einem Klippeneinschnitt nach unten zu seiner gischtumschäumten Lieblingsfelsplatte kraxelte.
    „Dieser Bauernlümmel“, zischte er halblaut vor sich hin. Er hatte sich etwas Unerhörtes geleistet, die für ihn, Jean-Pierre, den Unbesiegbaren, vom Schicksal vorgesehene Frau durch seine buhlerischen, schlabbernden Küsse besudelt, ja geradezu entweiht, ihm zu entreißen versucht. Und das durfte nicht sein! Das war gegen die Bestimmung, die er in sich fühlte. Nur er, redete sich Jean-Pierre immer wieder ein, war dazu ausersehen, diese seltene, keltische Blume zu pflücken. Oben, auf den dachlosen Mauerresten

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