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Gesichter im Nebel (German Edition)

Gesichter im Nebel (German Edition)

Titel: Gesichter im Nebel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Feyerabend
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eilends auf die Socken, um den Schutz der Dunkelheit zu nutzen. Grit gab mir noch trockene Klamotten von ihrem Verblichenen mit sowie einige Lebensmittel, Klippfisch, Dörrfleisch, getrocknete Bohnen und einen Laib Brot, den sie am Abend frisch gebacken hatte, alles Köstlichkeiten, die mir die nächsten Tage versüßten.“
    Patrick legte an dieser Stelle wieder eine Pause ein und befeuchtete sich die Zunge mit einem Rest des bitteren, malzigen Dunkelbiers. Mehr Gin wäre jetzt zu viel geworden.
    Der blinde Seher war dem Vortrag teilweise mit angehaltenem Atem gefolgt.
    „Das ist ja unglaublich, aber mir ist so, als ob sich die Schicksale wiederholen“, meinte er schließlich versonnen. „Diese Brighid, so ahne ich, könnte ein weiblicher Abkömmling jenes unglücklichen Kindes sein, den jetzt ein rätselhaftes Schicksal an den Ort der damaligen Geschehnisse zurückführt. Die Ähnlichkeit dieser Dublinerin mit der Piratenbraut aus der alten Erzählung, nein, das kann kein Zufall sein. Da steckt ein höherer Plan dahinter. Und ohne jeden Zweifel ist auch der junge O’Driscoll mit diesem Schwerthand in einem gewissen Sinn identisch. Und dann auch noch der Franzose mit demselben Vornamen. Das ist eine geradezu teuflische Verkettung von Umständen. Ein uns unbekannter Dirigent gibt den Ton an und steuert alles so, dass dieselbe Katastrophe noch einmal eintreten soll. Ja, ich glaube, so ist das!“
    „Etwas Derartiges habe ich auch schon vermutet. Die Ähnlichkeiten sind zu deutlich. Und wir beide werden darauf gestoßen, weil irgendeine andere, diesem Plan abholde Macht will, dass es nicht geschieht. Ich glaube, hier liegt für uns eine Verpflichtung und vielleicht die Chance, den alten Fluch zu lösen, wie auch immer. Allerdings bin ich im Augenblick damit völlig überfordert! Xirian, du hast die Gabe, verborgene Dinge zu erspüren.“
    „Bislang habe ich noch keine Eingebung, lediglich ist mir vergönnt, die Anwesenheit dieser Schattenwesen zu fühlen. Mir der Ratlosigkeit allerdings geht es mir nicht viel anders als dir. Und ich muss deshalb unbedingt herausfinden, was Paddle erlebt hat. Es scheint alles auf unerklärliche Weise miteinander verknüpft. Ich werde ihn morgen besuchen. Es muss doch möglich sein, diesem Kauz sein Geheimnis zu entlocken, verdammt aber auch!“
    „Wenn es dir recht ist, machen wir jetzt eine Pause. Ich bin erschöpft und wir sollten vielleicht etwas essen und einen starken Kaffee trinken. Wie ich sehe, ist es längst Vormittag.“
    „Gut“, stimmte der Blinde zu, „mach’ einen Kaffee. Das muntert uns auf. Aber ich will nun die Geschichte zu Ende hören. Viel Zeit haben wir ohnehin nicht mehr!“
    Paddy las weiter. Wenn er umblätterte, befeuchtete er mit der Zunge die Finger. Beide Männer vergaßen erneut die Zeit, tauchten ein in ein anderes Jahrhundert, in eine wilde und blutige Epoche an der irischen Küste.
    „Ungeduldig wartete ich auf den nächsten Traum, wusste ich doch, dass der Schatz dieses Schwerthand nie gefunden wurde, bis ich ihn durch einen Zufall entdeckte und damit die nächtlichen Gesichte auslöste. Es dauerte gut einen Monat, dann war es wieder soweit. Der Traum fand seine Fortsetzung. Ich sah mich mit gefärbten Haar und einem Backenbart, auf einen Spazierstock mit Silberknauf gestützt, auf dem Weg von Cork nach Skibereen. Die Kutsche wurde von zwei Rappen gezogen, blieb zeitweise im tiefen Schlamm der Wege stecken und musste mühsam durch Eingreifen des Kutschers und meiner Wenigkeit wieder aus dem klebrigen Moder befreit werden.
    Fünf Jahre waren seit der Flucht vergangen, in denen ich mich ganz im Norden, in der Grafschaft Donegal, aufgehalten hatte, einer kargen und sturmgepeitschten Berggegend. Ich nistete mich in dem Küstenort Ardara unter dem falschen schottischen Namen McCain ein. Das wenige Geld, das ich unter die Leute brachte, stammte aus dem Erlös der geretteten Schatulle und es war für die armen Leutchen dort ein willkommener Segen. Ich täuschte vor, ein aus Amerika zurückgekommener Auswanderer zu sein und beteiligte mich sofort an einem bescheidenen Fischhandel. So galt ich bald fast als einer der ihren und konnte englischen Soldaten ohne große Ängste in die Augen schauen, zumal ich mein Aussehen entsprechend verändert und auch einiges an Leibesfülle zugelegt hatte. Wer schon würde in dem ehrenwerten Fischhändler McCain den ehemaligen zweiten Mann des berüchtigten Schreckens aller Kauffahrer vermuten, den blutrünstigen

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