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Gesichter im Nebel (German Edition)

Gesichter im Nebel (German Edition)

Titel: Gesichter im Nebel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Feyerabend
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frühe Entdeckung ihres revolutionären Planes zu verdanken. Lediglich Brighids geistesgegenwärtiger Aussage ihrem Vater gegenüber hatte wohl Schlimmeres verhütet.
    In dieser wiedererlangten Ruhe fiel einigen von ihnen auf, dass sich Xirian in diesen Tagen mit irgendeinem Problem herumplagte. Oft saß er auf der Mauer unten am Südhafen und lauschte der Melodie der Wellen, die Stirn in Falten gelegt. Er schien über etwas Heikles nachzudenken. Zuweilen schaute er bei Paddy vorbei. So auch an diesem Tag.
    „Mir geht diese Sache mit dem Opfer nicht aus dem Kopf“, meinte der Fischer fast jedes Mal. „Was nur sollen wir tun? Wir können doch keinen Menschen auf einen Scheiterhaufen stellen. Das ist absurd.“
    „Wenn ich einen Rat wüsste, wäre mir weiß Gott wohler. Ich kann auch noch nicht sehen, wie wir die Forderung erfüllen oder gar ändern können. Schließlich liegt das damalige Geschehen Tausende von Jahren zurück und es war genug Zeit, eine solche wahnwitzige Bedingung aufzubauen. Nein, ich bin noch immer ratlos.“
    „Mir geht es nicht anders. Allerdings stelle ich fest, dass seit unserem Besuch am Hafen die Gesichter rarer geworden sind, die Anderswelt sich anscheinend beruhigt hat.“
    „Das geht mir auch so. Es ist nach meinem Empfinden so etwas wie die Ruhe vor dem Sturm. Was geschieht jetzt übrigens mit dem Schatz in deinem Garten? Wir wollten ja auch da mal einen Versuch starten, mit den Geistwesen in Kontakt zu treten.“
    „Lass ihn ruhen. Wir wissen ja jetzt, was sie wollen, zumindest die Bösen unter ihnen. Ich wage mich nicht an das Blutgold heran. Auch wenn wir den Fluch brechen liegt kein Segen darauf.“
     
    So vergingen die Tage bis zum Herbst. Inzwischen waren alle Franzosen abgereist und auch Brighid war mit ihren Kommilitonen schweren Herzens nach Dublin zurückgekehrt. Sie hatte beim Abschied Tränen in den Augen.
    „Beannachd leat, deagh dhùrachd“, auf Wiedersehen, alles Gute, schien ihr die Insel aus der Ferne zuzurufen, als das rote Fährboot Bullig-Reef passierte und zielstrebig Kurs auf den kleinen Hafen von Baltimore nahm. Dann ging es mit dem Überlandbus weiter bis Cork. Doch sie empfand ihre Rückreise nicht als endgültigen Abschied, eher als Zwischenspiel.
    „Ja, beannachd leat, Slàn, Ade, Cape, Patrick und ihr lieben Mädels des Ledermachers. Ich komme wieder.“
    Sie murmelte es leise vor sich hin, während sie über das schäumende Kielwasser zwischen Vogelinsel und Bullig-Reef zurückblickte und sich mit dem Ärmel die Tränen aus den Augen wischte. Die Silhouette von Cape wurde kleiner und kleiner und verschwand schließlich im Dunst.
    Am Vorabend der Reise hatte sie sich noch einmal mit Patrick heimlich und bei Dunkelheit am Lighthouse getroffen. Es war ein schweres Abschiednehmen. Ihre Vereinigung war entsprechend stürmisch; sie warf zugleich Wonnen über die beiden Liebenden und trug schon den süß-herben Schmerz des Abschieds.
    „Liebster, ich werde bald wiederkommen. Das weiß ich“, seufzte sie und schmiegte sich eng und vertraut an ihn.
    „Ich denke auch schon nach, unter welchem Vorwand ich nach Dublin kommen kann. Ach, es ist so schwer, dich gehen zu lassen. Und telefonieren können wir auch nur, wenn ich mal auf dem Festland bin. Der Postmaster ist mir zu neugierig.“
    „Ich habe die Frau des Ledermachers eingeweiht. An sie werde ich schreiben und einen Brief an dich beilegen. Cathleen ist vertrauenswürdig. Und sie wird ihn dir unbeobachtet geben. Wenn du mir auch schreiben willst, kann das genauso diskret auf diesem Weg geschehen.“
    „Ja, das ist eine gute Idee. Aber wundere dich nicht. Ich bin nachgerade kein Held der Tinte.“
    „Das macht mir gar nichts. Jede Zeile von dir ist Balsam für mich und meine Seele.“
    Und dann umarmten sie sich wieder und wieder, während ein bleicher Mond listig durch die Wolken blinzelte und in der Ferne in respektvollem Abstand zur klippenbestückten Küste Irlands wieder einmal die Positionslichter eines Schiffes zu sehen waren.
    Die beiden Mädels des Ledermachers standen mitsamt ihrer Mutter beim Abschied am nächsten Morgen an der Kaimauer. Auch Paddy hatte sich eingefunden und druckste etwas verlegen herum. Es wehte ein frischer Wind und die Freunde winkten Lebewohl. Wann es wohl ein Wiedersehen gab?
    Jetzt jedenfalls war alles erst mal vorbei.
     
    Als die Mädchen anschließend vom Hafen aus zur Schule gingen, meinte die Ältere: „Nun ist unsere Meerfrau weg. Und ich habe oben auf dem

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