Gesichter im Nebel (German Edition)
versicherte Brighid.
Doch unversehens war sie nun in einen heftigen Gewissenskonflikt geraten. Immerhin wusste ihr Vater schon etwas, ebenso wie ein Universitätsprofessor in Dublin. Wenn ihre Freunde hier die Quelle für die Indiskretion erfuhren, so würde für Jean-Pierre eine böse Zeit anbrechen und bei der geringsten Dummheit die Insel unter schlechtesten Umständen und im unrechten Augenblick ins Gerede kommen.
Sie rang mit sich. Dann stieß sie hervor: „Ich glaube, ich muss euch etwas erzählen, aber bitte bleibt besonnen. Mein Vater hat schon eine Ahnung von euren Plänen. Ein Anrufer hat einen Professor in Dublin von euren Plänen informiert, der wiederum hat meinen Vater angerufen und ihm alles brühwarm erzählt.“
Die Männer des Siebener-Rates glaubten, ihren Ohren nicht zu trauen. Ein erstauntes Raunen erfüllte den Raum. Dann schwirrten die Stimmen der aufgeschreckten Männer wild durcheinander. Ein Verräter in ihren Reihen, undenkbar! Ein ungebetener Lauscher, der es mit der Insel nicht gut meinte? Das konnte schon eher sein. Aber wer?
Brighid bat um Ruhe und fuhr fort: „Ich habe meinem Vater am Telefon gesagt, dass dieses Gerücht erst mal nicht ernst zu nehmen ist, weil der ungebetene Lauscher vielleicht manches missverstanden hat, unter Umständen gar kein Gälisch versteht und so die Zusammenhänge falsch sieht. Mein Vater hat das an seinen Freund so weiter gegeben. Und der hat daraufhin der Sache wahrscheinlich keine große Bedeutung mehr beigemessen.“
„Das wollen wir hoffen“, warf sich Lobster in die Brust. „Weißt du denn, wer der feige Bursche war?“
„Nein, nicht mit Sicherheit. Ich habe keine Beweise, aber vermute, dass es sich um einen der Franzosen handelt, denn der entscheidende Anruf kam aus Frankreich.“
Die Empörung machte sich lautstark Luft.
„Man sollte den Kerl über die Klippen werfen“, donnerte Captain Prawn, „eigentlich kommt dafür ohnehin nur einer infrage und das ist der Frog, der Brighid immer nachgestiegen ist.“
„Lynchen sollten wir ihn oder zumindest so zusammenschlagen, dass er seinen eigenen Vater nicht mehr erkennt!“, ließ sich jetzt auch Lobster hitzköpfig vernehmen.
„Halt, halt“, versuchte Brighid zu beschwichtigen, „bleibt vernünftig. Ich würde euch raten, die Sache mit Stillschweigen zu übergehen. Wenn es zu einem Tumult kommt oder eventuell sogar eine Dummheit begangen wird, dann wird alles publik und in der Presse breitgetreten. Jean-Pierre ist immerhin ein ausländischer Urlauber. Nein, das erregt zu viel Aufsehen. Und es würde dem Ruf der Insel großen Schaden zufügen. Genau das aber könnt ihr gegenwärtig am allerwenigsten gebrauchen! Lasst ihn ziehen, seine Tage hier sind ohnehin gezählt und wiederkommen wird er bestimmt nicht. Er weiß, dass ihm die ganze Insel nicht gutgesonnen ist. Was er an Blödsinn angerichtet hat, ist ohnehin nicht mehr rückgängig zu machen. Und, glaubt mir, das Leben wird ihn schon noch bestrafen. Böse Menschen bekommen immer eines Tages ihre Fett weg.“
Schweigen trat ein. Dann sagte Xirian ruhig: „Brighid hat recht, ja wirklich! Genau ein solches Risiko können wir auf keinen Fall eingehen. Die Franzmänner reisen in Kürze ab und dann ist der Fall sowieso erledigt. Sie hat ja schon bei ihrem Vater die Sache herunter gespielt. Und dabei sollten wird es im Augenblick bewenden lassen.“ Xirians Rat galt. Doch die Runde musste erst einmal ihre Aufregung hinwegdebattieren. Es war lange nach Mitternacht, als sie sich endlich auflöste und die Siebener-Räte durch einen aufkommenden Nebel heimwärts zogen.
Trotz der vorgerückten Stunde lauerte Jean-Pierre hinter Büschen am Hang, vor welchen der Weg bergabwärts zum Hafen führte. Er hatte sich ausgemalt, vielleicht Brighid alleine zu erwischen. Aber weit gefehlt. Die Männer begleiteten sie bis zur Herberge. Fluchend machte sich nun auch der halbirre Franzose zu seiner Vogelstation auf und warf sich auf seine Pritsche.
Erneut hatte er eine unruhige Nacht. Böse Träume plagten ihn, in denen immer wieder sein Widersacher in der Bekleidung eines Piraten auftauchte. Mit ohnmächtiger Wut musste der Träumende zusehen, wie der Ire Brighid umarmte und auf sein Lager zog. Er wollte sich auf das Pärchen stürzen, doch sein Blut war wie Sirup, seine Gliedmaßen gelähmt. Er kam keinen Schritt voran. Mehrmals wachte er schweißgebadet auf.
Vom kommenden Tag an lungerte Jean-Pierre stets, auch nach Einbruch der Dunkelheit, irgendwo
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