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Gesichter im Nebel (German Edition)

Gesichter im Nebel (German Edition)

Titel: Gesichter im Nebel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim Feyerabend
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nicht stehen. Das wäre wider die Natur. Oder nicht?“
    „Ist aber wirklich nicht nötig“, antwortete Neil halbherzig.
    Sie lächelte verschmitzt und schwirrte ab.
    Nun ging die Haustür. Sean Walsh kehrte heim.
    Noch aus der Küche ertönte Brighids Stimme: „Vater, wir haben Besuch. Dreimal darfst du raten. Es ist Neil, der Ledermacher von Cape.“
    „Aha, der Schöpfer dieser wunderbaren Taschen! Da habe ich gleich noch ein paar Bestellungen für ihn.“
    Er legte ab und trat ins Wohnzimmer.
    „Herzlich willkommen. Ich habe mich sehr über deine Arbeit gefreut. Ist sie doch ein Zeichen, dass unsere keltische Vergangenheit in Ehren gehalten wird.“
    Er schüttelte dem Inselmann herzlich die Hand und meinte beiläufig zu seiner Tochter: „Ach Brighid, sei so gut und mach mir auch ein Guinness auf. Ich bin durstig nach einem langen Tag in der Stadt.“
    „Papa, du wolltest dich doch bremsen mit dem Alkohol“, gab sie grinsend zurück.
    „Ja, ja, du Gouvernante. Ich muss schließlich unserem Besuch zuprosten können. Wie ich sehe, hast du dich ja an Tee gehalten.“
    „Ich geh ja schon. War auch nicht so ernst gemeint!“
    Die Zeit verging wie im Flug. Der alte Walsh referierte alsbald über die frühen Königreiche auf der Grünen Insel und die verschiedenen Besiedlungswellen. Neil hörte gespannt zu. Dann war es Zeit zum Aufbruch. Er nahm den Bus und erreichte in letzter Minute seinen Zug.
     
    Unaufhaltsam näherte sich die Wintersonnenwende. Der Blinde wurde jetzt öfters gesehen, wie er zur Kirche ging und sich in der hinteren Reihe still und nachdenklich niederließ. Oft saß er dort stundenlang fast regungslos, wie in Trance.
    Auf dem Rückweg schaute er meist bei Paddy rein. Der war jetzt fast immer zu Hause. Die oft hochgehende See verhinderte das Fischen.
    Dann war der Tag gekommen. Am Spätnachmittag erschien Xirian in einen weiten Umhang gehüllt im Haus seines Freundes. Bedächtig machten sich die beiden auf den Weg in die Hügel und zum Lighthouse. Sie sprachen nur wenig. Für Paddy lag gespannte Erwartung in der Luft. Xirian war in sich gekehrt.
    Die Dunkelheit brach herein, als sie ihr Ziel erreichten und es war beiden, als ob sie jetzt wieder besonders stark die toten Seelen umschwirrten. Am Horizont war ein fernes Wetterleuchten zu sehen. Es stammte von einem weit südlich vorbei ziehenden Gewittersturm, dessen Gewalten sich jetzt vermutlich in der Biskaya entluden.
    „Da haben wir aber Glück gehabt. Ich sehe Wetterleuchten am Horizont. Im Süden geht es anscheinend kräftig zur Sache. Ein Blitz nach dem anderen geht dort nieder. Aber es ist so weit weg, dass wir den Donnerschlag nicht hören können. Das hätte unsere Pläne ganz schön stören können“, räusperte sich Paddy. „Ja, himmlische Ratschlüsse sind selten vorhersehbar. Aber heute scheinen sie uns günstig gestimmt“, antwortete der Blinde, „also, Paddy, walte deines Amtes. Steck das Feuer an.“
    Der Fischer hatte etwas Werg und Petroleum mitgebracht. Das goss er nun über den Holzstoß, steckte den Brandbeschleuniger zwischen einige dürre Äste und entfachte mit seinem Sturmfeuerzeug die Flammen. Schnell zündelten sie empor. Es dauerte nicht lange, da schoss eine gewaltige Lohe zum Himmel. Knisternd und prasselnd fraßen sich die Flammen durch das vom Seewasser ausgelaugte Holz.
    Paddy hielt jetzt einen gehörigen und respektvollen Abstand. Die Hitze wurde sengend, es brannte auf der Haut.
    Der blinde Seher indes trat immer näher heran. Er reckte seinen Knotenstock gen Himmel und rief mit einer unheimlichen Stimme:
    „Hört zu, ihr Geister, ihr Stimmen in der Nacht und ihr Gesichter in den Nebeln, ihr Gestalten im Tang. Ich bin gekommen, um euch zu erlösen. Lasst den bösen Zauber weichen und gebt dem Eiland seinen Frieden zurück! Herr, verzeih’ mir und erlöse mich und die Insel.“
    Paddy stand mit weit aufgerissenen Augen da. Irgendetwas ging hier vor, das ihm nicht geheuer erschien. Es war unheimlich, ja unwirklich. Etwas wie graue Urzeit schien die Szene zu durchdringen.
    Und er hörte eine Art Raunen ringsum, spürte einen Lufthauch.
    Plötzlich zog Xirian eine Flasche aus seinem Umhang, goss deren Inhalt über sein Gewand und rief laut:
    „Nehmt das Opfer an, das ich euch bringe!“
    Ehe der Fischer begriff, was vor sich ging, sprang Xirian in den Flammenkessel. Verschwommen nahm er wahr, wie sich der Blinde einen Dolch ins Herz stieß und in einem Meer aus Feuer selbst wie eine lohende Fackel zu

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