Gesichter im Nebel (German Edition)
entschuldigst, ich mache mir schnell eine Tasse Tee.“
„Aber klar doch, ich habe keine Eile. Meine Geschäfte habe ich bereits erledigt und der nächste Zug geht erst später nach Cork.“
Dann entschwand Brighid wieder in die Küche, setzte Wasser auf und widmete sich schnell dem Brief ihres Liebsten.
„Meine kleine Zauberfee, die Tage ohne dich sind wie Suppe ohne Salz. Das darfst du mir glauben. Ich glaube, ich liebe dich mit jedem Tag seit deiner Abfahrt noch mehr und es fällt mir schwer, meiner Arbeit nachzugehen. Am liebsten würde ich sofort zu dir fahren und dich umarmen. Die Insel ist jetzt wieder ganz ruhig. Alle fremden Besucher sind abgereist und über den Winter kommen keine neuen. Auch gibt es schon die ersten schweren Stürme. Aber davon bekommt ihr ja auch etwas ab. Manchmal wird mir ganz unwirklich, so als habe ich alles nur geträumt. Ich hoffe dich bald zu sehen, damit ich diese Gedanken vergessen kann. Ich liebe dich, ich umarme dich, ich küsse dich, dein Patrick.“
Der Wasserkessel pfiff. Taumelig vor Glück goss sie sich den Tee auf. Ach, wenn er doch nur hier wäre oder sie bei ihm! Lange würde sie das nicht mehr aushalten.
Sie konnte Neil nicht noch länger warten lassen. Er grinste, als sie mit der Tasse in der Hand die gute Stube betrat.
„Selbst beim Tee erweist du Irland die Ehre!“
Brighid lachte.
„Ja, da bin ich ganz der Vater. Auch wenn Sir Lipton tot ist und in England gelebt hat: Immer wieder mit seinen ‚Shamrocks’ gegen die Amerikaner anzusegeln, ist der Ehre wert. Auch, wenn er den America’s Cup nie gewonnen hat. Wir Iren lassen uns so schnell den Mut nicht nehmen, oder?“ Sie zwinkerte ihm zu.
Doch Neil hatte die angegilbte Fotografie ihrer Mama auf dem Kaminsims entdeckt.
„Ist das deine Mutter? Eine eindrucksvolle, schöne Frau!“
„Ja, ich war noch ganz klein, als sie bei einem Schiffsunfall während der Überfahrt nach England starb. Ich kann mich kaum an sie erinnern. Sie muss eine große Frau gewesen sein, hinter der viele in Dublin und nicht nur mein Vater her waren.“
„Das glaube ich gerne. Ebenso, wie die Kerle heute wahrscheinlich hinter dir her sind!“
Sie wurde ganz ernst. „Mag sein, aber die gehen mir alle am Allerwertesten vorbei. Ich liebe Patrick und damit basta.“
„Das habe ich bemerkt, auch wenn ihr es geheim halten wolltet.“
„Wenn du lieb bist, nimmst du einen Antwortbrief von mir wieder mit zurück auf die Insel. Ich werde ihn gleich schreiben. Entschuldige mich für ein paar Minuten.“
Schon hatte sie die Schreibmappe vor sich. Ihr Kugelschreiber flog nur so über das Papier.
„Liebster, Allerliebster, ich habe mich ungeheuerlich über deinen Brief gefreut. Das war eine Überraschung, als plötzlich Neil vor der Tür stand. Ich musste gleich unter einem Vorwand in der Küche verschwinden und deine Zeilen lesen. Ja, ich liebe dich auch von ganzem Herzen. Und mir wird die Zeit lang, in der wir uns nicht sehen und fühlen können. In der Uni finde ich alles plötzlich doof und für mich nicht wichtig. Denn ich gehöre zu dir. Und da muss ich bald eine Lösung finden. Vor allem, wenn hier der Sturmwind um die Häuser pfeift und die Wasser des Liffey aufschäumen lässt, bin ich in Gedanken auf eurer Insel, sehe die mächtige Brandung, höre das Geheul des Sturms über den Klippen und wünsche mir, ich könnte mich an dich schmiegen und alles wäre nur halb so schlimm. Ach, wäre das schön. So aber werde ich mich heute Abend wieder allein in meine Kissen kuscheln und an dich denken. Vielleicht geht es dir ja ähnlich. Ich umarme dich aus der Ferne, denke an unsere Umarmungen und das Feuer, das du in mir entzündest hast, so ganz ohne den Segen der Kirche. Bis bald, mit tausend Küssen, Deine Zauberfee.“
Sie suchte nach einem Umschlag, steckte den Brief ein und schrieb ein großes „P“ darauf. Dann übergab sie ihr Werk an den Besucher.
Neil berichtete den neuesten Klatsch aus Cape. Es hatte sich nicht viel ereignet. Der Priester sollte schon wieder durch einen anderen Geistlichen ersetzt werden. Der Pub hatte eine Zeit lang geschlossen, weil die verräucherte Bude neu gestrichen wurde und ähnliche Vorkommnisse mehr. Natürlich war die Renovierung von „Cotter’s“ für die Schluckspechte eine Katastrophe. Heimatlos saßen sie auf der Mauer am Hafen und tranken mitgebrachtes Flaschenbier.
„Apropos Bier. Ich sehe, du hast deins schon leer. Warte, ich hol dir ein neues. Auf einem Bein kann ein Caper
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