Gespenst aus der Zukunft
welchen?«
»Von allen seltenen Erden – ganz besonders Praseodym.«
»Wozu braucht ihr Praseodym?«
»Wenn seine Moleküle mit Hilfe von sehr hohen Spannungen und Hochfrequenzstrom richtig angeordnet und dann mit anderen Elementen vermischt werden, bildet es eine Substanz, welche die Gravitation abschirmt.«
»Weshalb müßt ihr euch vor der Gravitation schützen?« fragte der kleine Mann.
»Zum Beispiel, um auf fremde Planeten zu gehen.«
Der andere sah ihn mit Abscheu an. »Ihr wollt Praseodym, damit ihr auf andere Planeten gehen und noch mehr Praseodym erbeuten könnt. Habe ich recht?«
»Das klingt sehr vereinfacht.«
»Ich frage mich, ob man etwas zu einfach für den Geist eines Terraners machen kann«, erwiderte das Geschöpf.
»Ich bin nicht verantwortlich für die Kräfte, die uns Terraner bewegen«, unterstrich Engar. »Wir tun alles, wie wir es schon immer getan haben.«
»Das ist die erste vernünftige Feststellung, die du triffst«, sagte der kleine Mann.
Engar schwieg.
Der kleine Mann fächerte ein paarmal seinen Schwanz. Dann sagte er: »Ich weiß noch nicht, ob ich damit einverstanden bin. Wir werden abwarten.«
Danach kam er noch oft – immer wenn Engar allein war. Er sprach ziemlich allgemein, aber immer mit einer gewissen Herablassung. Und gelegentlich stellte er ein paar sehr scharfe Fragen – besonders, als die hohen Ionenaustausch-Säulen errichtet wurden. Und entweder wußte er, wovon Engar sprach, oder er hatte nicht die leiseste Ahnung, denn er verfolgte das Thema des Ionenaustausches nicht weiter.
Er erschien oft, und es gab mancherlei, das ihm nicht gefiel: die großen Schaufeln, die sich durch das gefrorene Ammoniak fraßen, um an die seltenen Erden heranzukommen, die darunter lagen; die Raketenschiffe mit ihren Rückstoßdüsen, die große geschmolzene Rinnen in der Oberfläche von Uranus hinterließen; die Abgase von der Verarbeitungsanlage der Station. Aber Engar erinnerte sich, daß der kleine Mann zum erstenmal erregt gewesen war, als Corinne Madison auf die Station gekommen war – als Direktor. Vielleicht spürte das Wesen Engars Erregung darüber, denn Corinne war zwei Jahre jünger als Engar und hatte bestimmt keine bessere Ausbildung als er. Engar hatte sich eine Zeitlang darüber geärgert, und während dieser Zeit war der kleine grüne Mann zum erstenmal unfreundlich geworden.
Nun sah Engar ihn an und fragte sich, was der Uranier wohl gegen die Technik der Erde unternehmen wollte. Nolos spreizte seine Schwanzfedern; die »Augen« in den Federn wurden groß und immer schillernder, bis sie wie Feuer glänzten. Dann ließ der kleine Mann sie zusammenklappen, und Engar wußte, daß er sich auf den Rückweg machen würde.
Er hatte recht. Während er die Säule beobachtete, sah er, daß das Abzapfen fast beendet war. Er griff nach dem Abstellhahn, und als er wieder aufblickte, war der kleine Mann fort. Engar stellte die Apparatur ab, zufrieden mit der Arbeit seiner Ionenaustausch-Säule. Er glaubte, daß diese Menge – gute zwanzig Liter – nach dem Destillieren ein ziemlich reines Praseodym ergeben würde, das man nicht weiter zu verfeinern brauchte. Er überprüfte die Säulen und stellte fest, daß als nächste Nummer Sechs an der Reihe war.
Die pneumatische Tür zum Büro der Chefin öffnete sich, und Corinne Madison kam mit harten Schritten auf ihn zu. »Mister Jarvin«, sagte sie scharf, »ich habe Sie schon einmal gebeten, mich zu verständigen, wenn Sie Versuche durchführen, die starke Strahlung frei machen.«
Engar sah zu ihr auf. Ihr schwarzes Haar lag seidig glänzend auf der gestärkten weißen Leinenjacke, und sogar die Jacke ...
»Mister Jarvin!« Ihre braunen Augen wurden schmal.
»Ja, Miß Madison?« Er warf einen Blick auf Säule Nummer Sechs, stellte das Warnsignal ein und erhob sich. Es war nicht seine Schuld, daß er einen Kopf größer als sie war.
Nun mußte sie den Kopf zurückbeugen, um ihn anzusehen.
»Sie wissen gut, daß bei den Ionenaustausch-Säulen keine Strahlung frei wird«, sagte er.
»Ich weiß noch sehr viel mehr«, erwiderte sie gekränkt, »und was ich weiß, gefällt mir gar nicht.«
»Ich höre, Miß Madison.«
»Erstens haben Sie den Aufbau dieser Station geleitet. Zweitens haben Sie die Ionenaustausch-Säulen konstruiert und gebaut. Drittens wissen Sie sehr gut, wie wichtig Sie auf Uranus sind. Viertens hat es Ihnen nicht gepaßt, daß ich als Ihre Vorgesetzte hierherkam. Fünftens habe ich keinen Zweifel daran,
Weitere Kostenlose Bücher