Gespenster Kuesst Man Nicht
hinkriegen werden.«
In diesem Moment trat ein Herr im dunklen Anzug an unseren Tisch. »Verzeihen Sie. Andrew? Ist alles in Ordnung?« Er sah Andrew demonstrativ an.
Steven richtete sich zu voller Größe auf. »Alles ist bestens. Wir haben unseren Kellner gebeten, sich auf einen kleinen Spaß einzulassen. Er macht seinen Job übrigens sehr gut. Ich denke, Sie sollten ihm den Lohn erhöhen.«
Andrew errötete und stand schnell auf. »Es tut mir sehr leid, Mr Gearson.«
»Es gibt keinen Grund, sich zu entschuldigen«, sagte Steven streng und sah den Restaurantmanager scharf an. »Wir haben Sie gebeten, sich hinzusetzen, und Sie haben dem Wunsch Ihrer Gäste Folge geleistet.«
Mr Gearson lächelte verkniffen. »Nun gut«, sagte er, »solange alles zu Ihrer Zufriedenheit ist.« Er verneigte sich knapp und schritt davon.
»Danke«, sagte Andrew. »Mein Chef ist ein ganz Steifer.«
Gilley kicherte. Ihm schien die Vorstellung zu gefallen. Ich bedachte ihn mit einem finsteren Blick und wandte mich wieder Andrew zu, um ihn etwas aufzumuntern. »Richard hat sich jetzt zurückgezogen, aber er wollte Sie wissen lassen, dass er damals eigentlich vorhatte, wieder nach Hause zu kommen. Er wäre nie endgültig weggegangen, ohne Ihnen Lebewohl zu sagen.«
Andrew nickte. Seine Augen wurden feucht. »Entschuldigen Sie bitte«, sagte er und eilte davon.
»Wirst du versuchen, diesen Richard ins Jenseits zu schicken?«, fragte Steven, während er wieder Platz nahm.
Ich schüttelte den Kopf. »Er ist kein Geist mehr. Er ist schon im Jenseits.«
»Woher weißt du, wer es dorthin geschafft hat und wer nicht?«, fragte er und reichte mir den Korb mit Brötchen, ehe er sich selbst eines nahm.
Ich dachte über die Frage nach, während ich mein Brötchen mit Butter bestrich. »Ihre Energie fühlt sich völlig anders an.«
»Inwiefern?«
»Na ja«, sagte ich und suchte nach den passenden Worten. »Gestrandete Seelen, also Geister, fühle ich tiefer.«
»Tiefer?«
»Ja, sie stupsen mich anders an. Ich spüre so eine Art Pochen in meinem Solarplexus, das nach unten zieht. Auch die, die es auf die andere Seite geschafft haben, machen sich in der Magengegend bemerkbar, aber dann hebt sich die Energie ein bisschen und schwebt mir sozusagen um den Kopf.«
Steven und Gilley tauschten einen Blick und sahen dann wieder mich an. »Das war nicht ganz verständlich«, sagte Gil.
Ich seufzte. »Ich hab nie behauptet, dass es einfach zu erklären ist. Man könnte es vielleicht so sagen: Bei Energien aus dem Jenseits bekomme ich ein Gefühl der Leichtigkeit und bei gestrandeten Energien ein Gefühl der Schwere. Außerdem kommt es noch darauf an, wie beharrlich sie sind. Geister sind darauf aus, dir das schreckliche Erlebnis zu zeigen, das sie gehabt haben. Seelen, die Ruhe gefunden haben, wollen dir eher von der geliebten Person erzählen, mit der sie gern Kontakt aufnehmen würden.«
Jetzt kam Begreifen in Stevens Blick. »Verstehe«, sagte er. »Ein Geist ist ganz von den letzten Augenblicken vor seinem Tod erfüllt. Eine ruhige Seele möchte nur plaudern, richtig?«
Ich lächelte. »Ganz genau.«
Da kam Andrew an unseren Tisch. Er sah verlegen aus. »Entschuldigen Sie vielmals«, sagte er. »Ich habe ganz vergessen, Ihre Bestellung aufzunehmen.«
Das Essen war ausgezeichnet und der Service unübertroffen. Andrew las uns jeden Wunsch von den Augen ab und überraschte uns zuletzt sogar mit einer eigens für uns zubereiteten Creme brulee zum Nachtisch. Als ich ihm für seinen Eifer dankte, überrumpelte er mich mit einer Frage: »Hat mein Bruder erwähnt, wer ihn umgebracht hat?«
Gil und Steven hielten in ihrem Gespräch inne und wandten uns ihre volle Aufmerksamkeit zu. »Nein, Andrew, es tut mir leid.«
Andrew lächelte, aber seine Augen blieben davon unberührt. »Ja, das hatte ich befürchtet. Trotzdem – wenn er ermordet wurde, würde ich mir den Mistkerl, der das getan hat, gern vorknöpfen.«
In diesem Augenblick spürte ich wieder ganz schwach Richards Präsenz in meinem Kopf. Seine Botschaft war kurz und prägnant. »Andrew«, begann ich, während ich die Bedeutung vollends ertastete. »Ihr Bruder sagt mir gerade, dass Sie womöglich in den nächsten Tagen herausfinden werden, wer ihn umgebracht hat. Er verspricht, dabei zu helfen, den Täter und sein Motiv zu entlarven.«
Andrew wirkte erleichtert. »Vielen Dank!«, sagte er aufrichtig. »Und Ihr Abendessen geht auf mich.«
Wir protestierten mit aller Macht. Unsere
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