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Gespenster Kuesst Man Nicht

Gespenster Kuesst Man Nicht

Titel: Gespenster Kuesst Man Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victoria Laurie
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glaube, ich habe die Frage nicht richtig formuliert. Kennen Sie einen Richard, der verstorben ist?«
    Einen Moment lang starrte Andrew mich sprachlos an. Auf seinem Gesicht malte sich Verwirrung ab. »Nein«, sagte er vorsichtig.
    Ich empfing starken Widerspruch. Ich warf Gilley einen Blick zu, weil ich nicht wusste, wie ich weitermachen sollte.
    »Andrew«, sagte Gil freundlich. »Ich will Sie nicht beunruhigen oder Ihnen Angst machen, aber meine Freundin hier ist ein professionelles Medium. Manchmal, wenn sie einen vollkommen Fremden trifft, kommt es vor, dass jemand aus dem Jenseits versucht, durch sie mit ihm Kontakt aufzunehmen. Anscheinend passiert das jetzt gerade, und meine Freundin wäre sehr froh, wenn Sie scharf nachdenken würden. Denn wenn wir nicht feststellen, wer da etwas von Ihnen will, wird keiner von uns sein Abendessen genießen können.«
    Eine volle Minute lang stand Andrew stumm da und sah zwischen Gilley und mir hin und her. Schließlich sagte er sehr leise: »Ich hatte einen älteren Bruder. Er lief von zu Hause weg, als ich sieben war, und wir haben nie wieder von ihm gehört. Sein Name war Richard.«
    In meinem Kopf gab es eine Explosion von Gefühlen, ein freudig erleichtertes Endlich! erklang. »Es tut mir leid, Ihnen das mitteilen zu müssen«, sagte ich. »Aber Ihr Bruder ist hier und versucht mit Ihnen zu sprechen.«
    Andrew wurde ein bisschen bleich – keine allzu seltene Reaktion auf meine intuitive Gabe. »Er ist tot? Wirklich?«
    Ich legte ihm die Hand auf den Arm. »Ja. Nach dem, was ich spüre, scheint er gestorben zu sein, nicht lange nachdem er sein Zuhause verlassen hat.«
    Andrew schwankte leicht. Steven sprang auf, schob ihm seinen Stuhl hin, setzte Andrew darauf und drückte ihm ein Glas Wasser in die Hand. »Trinken Sie«, sagte er fest.
    Andrew sah sich um, ob er schon Aufsehen erregte, aber er nahm einen kleinen Schluck und dankte Steven. »Meine Mutter wird durchdrehen«, sagte er. »All die Jahre hat sie gehofft, Richard wäre noch am Leben.«
    Ein Wirbel von Informationen sauste mir durch den Kopf, und ich hatte das deutliche Gefühl, dass Richard nicht einfach nur kurz nach seinem Verschwinden gestorben war. Er war ermordet worden. »Erzählen Sie mir, wie er weglief«, bat ich.
    Andrew nahm noch einen Schluck Wasser. »Das war vor dreißig Jahren. Ich war sieben und Richard sechzehn. Er war in vielem mein großes Idol. Er hatte ein eigenes Auto, rauchte Hasch und war überhaupt supercool. Dann, eines Abends, hatte er einen üblen Streit mit unserem Vater und ging einfach weg, ohne Abschied. Ohne ›Bis dann!‹ oder ›Lebt wohl!‹. Er ging einfach.«
    Richard übermittelte mir mehrere eindringliche Bilder. Ich sah ein Gewässer und spürte, dass der arme Junge ertrunken war, und zwar durch fremde Schuld. »Hatte Richard Feinde?«
    Andrew wurde offensichtlich klar, worauf ich hinauswollte. »Wurde er ermordet?«
    Ich nickte. »Genau das sagt er mir gerade.«
    Andrew senkte den Blick aufs Tischtuch. »Richard war ein ziemlicher Draufgänger. Wir leben in Wheaton, und da hat’s immer jemand auf dich abgesehen.«
    »Was meinen Sie?«
    »Wheaton liegt etwa dreißig Kilometer von hier. Es ist im Grunde eine Arbeitersiedlung. Die meisten Leute, die in den Dienstleistungsbetrieben von Lake Placid arbeiten, wohnen dort. Wir haben durchaus Probleme mit Drogen, Gangs und all solchem Zeug. Würde mich nicht überraschen, wenn Richard sich mit jemandem angelegt und den Kürzeren gezogen hätte.«
    »Gibt’s in Wheaton einen See oder Weiher?«, fragte ich, denn das Bild ließ mich nicht los.
    Andrew schüttelte den Kopf. »Nein. Die Seen und Weiher sind alle in dieser Ecke. Warum, ist er in der Nähe von einem Gewässer gestorben?«
    »Er sagt, er sei ertrunken.«
    Andrews Gesicht verdunkelte sich. »Er hatte Angst vor Wasser, wissen Sie. Deshalb hatte er sich geschworen, niemals hier im Ort zu arbeiten.«
    Weitere Bilder drängten in mein Bewusstsein. Ich sagte: »Ihr Bruder ist sehr stolz darauf, dass Sie noch einmal eine Ausbildung machen wollen.«
    Andrews Miene hellte sich etwas auf. »Das weiß er?«
    »Ja. Sie fangen im Herbst an, nicht? Im medizinischen Bereich?«
    »Stimmt!«, rief er aus. »Ich hab das Gefühl, mit siebenunddreißig ist man langsam zu alt, um zu kellnern, also hab ich mich fürs Wintersemester an der New York University für eine Ausbildung zum medizinisch-technischen Assistenten eingeschrieben.«
    »Ihr Bruder ist sicher, dass Sie das wunderbar

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