Gespenster Kuesst Man Nicht
»Also, ich folge seinem Beispiel. Gute Nacht, Steven!«
Er erhob sich ebenfalls. »Ich komme auch.« Ich musste lächeln, als er neben Gils Couch stehen blieb, eine Wolldecke aus einem Korb nahm und über ihn breitete. Dann folgte er mir. Vor meinem Schlafzimmer angekommen, drehte ich mich zu ihm um. »Gute Nacht!«, sagte ich noch einmal.
Steven spähte über meine Schulter hinweg in das Zimmer. »Ach, schläfst du auch hier drin?«, fragte er mit gespielter Überraschung.
Ich kicherte. »Das weißt du ganz genau.«
»Oh, na gut, meine Sachen sind jetzt schon drin, also können wir uns das Zimmer genauso gut teilen.«
»Doc ist ein hübscher Vogel!«, krächzte Doc von seiner Stange. »Doc will Schokopops!«
Ich warf einen Blick auf meinen Papagei. »Von den Sprüchen hat er noch Millionen auf Vorrat. Wenn er will, kann er die ganze Nacht weitermachen.«
»Er mag mich also nicht?«, fragte Steven.
»Er mag dich nicht bei mir. Doc ist sehr besitzergreifend. Du hättest sehen sollen, was er mit meinen Exfreunden gemacht hat. Es dauert immer eine Weile, bis er sich mit dem Gedanken angefreundet hat, dass noch jemand außer ihm bei mir im Zimmer ist.«
»Wir könnten ihn hierlassen und in ein anderes Zimmer gehen.«
»Doc ist einsam!«, krähte der Vogel, schlug mit den Flügeln und hüpfte auf seiner Stange hin und her. Mir war klar, dass er immer aufgeregter wurde, je länger Steven neben mir stand. »Doc will Mama!«
Ich seufzte. »Lass es uns besser auf ein andermal verschieben, mein Freund.« Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und gab Steven einen flüchtigen Kuss. Das stellte sich als Fehler heraus, denn jetzt explodierte Doc – buchstäblich. »Peng!«, machte er. Es klang besorgniserregend echt. »Gilley! Gilley, komm schnell!«, schrie er und flatterte wie wild mit den Flügeln. »Hilfe! Ich bin getroffen! Es tut weh! Ich sehe das Licht!«
Auf dem Flur ertönten hastige Schritte, und völlig verschlafen tauchte Gilley auf. »Was ist mit Doc los?«, fragte er, während der Vogel zeternd in seinem Käfig herumflatterte.
»Nichts.« Ich warf Steven einen entschuldigenden Blick zu. »Er zieht nur gerade seine Eifersuchtsnummer ab.«
Gilley blinzelte und schien allmählich zu bemerken, wie eng Steven und ich beieinander standen. »Oh. Na, er macht jedenfalls einen Höllenlärm, M. J.«
»Ich weiß.« Ich ging zu Docs Käfig und öffnete ihn. »Er ist nur ein bisschen – halt! Doc, nein!« Aber es war zu spät. Doc schoss aus dem Käfig. Schnurstracks segelte er auf Steven zu, flatterte ihm kreischend um den Kopf und biss ihm ins Ohr.
»Au!«, sagte Steven. Es folgten einige wütende spanische Ausdrücke.
Ich eilte ihm zu Hilfe. »Gilley! Hilf mir, Doc einzufangen!«
Aber davon wollte Doc nichts wissen. Er flog eine Schleife und hielt wieder auf Stevens Kopf zu; aber diesmal konnte Steven rechtzeitig die Arme hochreißen, und Doc zerkratzte ihm nur den Arm.
»Dein Vogel ist loco!«, schrie Steven und floh aus dem Zimmer. Rasch schloss ich die Tür hinter ihm, und sofort ließ sich Doc auf einem Bettpfosten nieder. Gil lehnte sich gegen die Tür. »Vielleicht könntest du in Erwägung ziehen, Doc für die Dauer dieses Auftrags im Käfig zu lassen?«
Ich nickte. »Und da frag ich mich noch, warum ich all die Jahre Single war. Komm her, Doc«, befahl ich. »Sofort!«
Doc gab einen tiefen, lang gezogenen Pfiff von sich, umkreiste zweimal den Bettpfosten und flog mir dann auf die Hand. Ich streichelte ihn und gab ihm einen Kuss. »Dummer Vogel«, sagte ich und setzte ihn sanft wieder in den Käfig.
»Hat sich Teeko gemeldet?«, fragte Gil.
In diesem Augenblick klingelte mein Handy. Ich eilte hin und nahm ab.
»Ihr seid drin«, sagte Karen. »Mit dem Rektor ist alles geklärt. Die einzige Bedingung ist, dass ihr noch zwei Tage warten müsst, bis ihr mit der Geisterjagd anfangen könnt. Der Rektor will nicht, dass Schüler dabei gefährdet werden. Die meisten sollten bis Ende der Woche weg sein, aber falls ihr noch welche auf dem Campus sehen solltet, dürft ihr ihnen nicht sagen, was ihr da macht.«
»Verstanden«, sagte ich. »Darf ich wenigstens mit den Lehrern reden?«
»Ja, wenn du noch welche antriffst. Der Rektor hat versichert, ab Sonntagabend würde niemand mehr auf dem Gelände sein, auch keiner von den Lehrern.«
»Okay. Das macht die Sache etwas schwieriger, aber das kriegen wir hin.«
»Und noch was«, sagte Karen, und ich hörte ihrem Ton schon an, dass ihr die nächste
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