Gespenster um Al Wheeler
aus der Hand und trank es langsam
aus.
»Was gibt es sonst noch Neues ?« fragte sie schließlich.
»Ich bin heute
nachmittag wieder hinaus in das Haus Ihrer Vorväter gefahren«, sagte
ich, »und habe ein langes und sozusagen intimes Gespräch mit der Frau Ihres
Bruders geführt .«
»Dieses Mistvieh !« sagte sie mit gleichmütiger Stimme. »Ich wette, sie hat
alle Einzelheiten über den schlechten Einfluß, den diese rabiate Wildkatze auf
ihre Ehe ausübt, ausgepackt. Womit sie natürlich mich meint .«
»Sie zerbricht sich den Kopf
darüber, was der Grund für das andauernde, ungewöhnlich schlechte Verhältnis
zwischen Ihnen und Ihrem Bruder ist und weshalb Sie beide einander gegenüber
von solcher Vernichtungswut besessen sind .«
»Jessica ist eine dieser
geborenen Wohltäterinnen, die von echter Verzweiflung erfaßt werden, wenn ihre
Wohltaten wirkungslos bleiben«, sagte sie nachdenklich. »Ich glaube, ich bin da
anpassungsfähiger — ich bin ein Mistvieh und weiß das
auch, sie ist auch eines, aber das würde sie nicht einmal vor sich selber
zugeben. Ich frage mich oft, warum mein lieber Bruder sie überhaupt geheiratet
hat .« Sie schüttelte den Kopf. »Nein, das stimmt
nicht, ich weiß es«, verbesserte sie sich schnell. »Aber deshalb hätte er sie
ja nicht gleich zu heiraten brauchen. Ich wette, jeder Bursche hätte sie haben
können, wenn er ihr nur versichert hätte, allein ihre Gegenwart veredle sein
Gemüt .«
»Ich würde auch nicht
behaupten, daß Crispin für eine Frau der äußerst erstrebenswerte Ehemann ist«,
bemerkte ich. »Wenn ich mit ihm verheiratet wäre, würde ich ihm als erstes
jeden Morgen eines über den Mund geben, in der inbrünstigen Hoffnung, daß er
dann nach zehn Jahren etwas Bescheidenheit gelernt haben würde .«
Charity gluckste vor Lachen. »Das
würde ich gern mit ansehen! Nur wenn Sie Crispin mir so weit vorzögen, daß Sie
ihn heirateten, so würde das irgendwie unsere Beziehungen stören. Glauben Sie
nicht ?«
»Ich wußte gar nicht, daß wir
irgendwelche Beziehungen zueinander haben — abgesehen von denen einer
Körperverletzung ?« knurrte ich.
Sie zuckte die schönen, nackten
bronzefarbenen Schultern. »Sie müssen sich Zeit lassen, Baby — vielleicht noch
eine Viertelstunde !«
»Nachdem ich mich heute nachmittag mit Jessica unterhalten hatte, sprach ich
mit Ihrem Bruder«, sagte ich.
»Das muß aber lebhaft
zugegangen sein !« Sie zog verächtlich die Nase kraus.
»Versuchen Sie denn noch immer mit allen Mitteln, zu beweisen, daß Tino dort
übernachtet hat, wie die alte Emily behauptet hat ?«
»Ich versuche es noch immer zu
beweisen, weil ich Kriminalbeamter und gezwungen bin, alle Mittel anzuwenden«,
sagte ich. »Gabriele und Duprez versuchen gar nicht
erst, etwas zu beweisen, weil sie ohnehin davon überzeugt sind, daß es wahr ist .«
»Wieso?«
»Fragen Sie mich nicht — und
vielleicht fragen Sie auch besser die beiden nicht. Gabriele hat mir vor einer
halben Stunde ein Ultimatum gestellt. Wenn ich nicht innerhalb der nächsten
vierundzwanzig Stunden die Sumners zur Verantwortung gezogen habe, werden sich
die beiden der Sache annehmen .«
»Und wie erklärt er diesen
Plural ?« In ihrer Stimme schwang ein spröder Unterton
mit.
»Es handelt sich um die
Sumners, die zu der Zeit, als Tino ermordet wurde, im Haus wohnten«, sagte ich.
»Eli ist tot — nun sind Sie und Crispin übrig, Süße .«
Ihre lohfarbenen Augen betrachteten mich ein-dringlich über den Rand ihres Glases weg. »Sie
würden doch wohl mit so was keinen Spaß treiben, Al, Baby ?«
»Ganz bestimmt nicht, solange Martinelli und Duprez hier einen
Stock tiefer wohnen«, sagte ich.
Unter der bronzenen Sonnenbräune
war ihr Gesicht blaß. »Wissen sie, wer ich bin ?« flüsterte sie.
»Soviel ich weiß, nicht«, sagte
ich wahrheitsgemäß. »Es ist das, was man als >komplizierte Situation<
bezeichnen könnte. Nicht wahr?«
»Vielleicht redet dieser Martinelli nur so daher ?« Ihre
Stimme klang nicht sonderlich überzeugt.
»Das würde ich gern annehmen,
wenn nicht seine Vergangenheit wäre«, sagte ich. »Er ist ein Profi — ein
Spitzenprofi — , und Duprez kann man sogar als Künstler in seinem Fach bezeichnen.«
Charity schauderte. »Im Dunklen! Die
Leute anschleichen, als wären es Tiere. Das ist gräßlich !«
» Duprez behauptet, es sei der Höhepunkt des Lebens. Ein paar Sekunden der Ekstase, in
der der Mensch einem Gott gleich sei und es in seiner Hand läge,
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