Gespenster um Al Wheeler
jemandem das
Leben zu schenken oder zu nehmen.«
»Es klingt, als ob er verrückt
wäre .«
»Ich bin überzeugt, daß er das
ist«, stimmte ich zu. »Nur wird es verteufelt schwierig sein, das zu beweisen .«
Charity stand mit einer schnellen
unruhigen Bewegung von der Couch auf und besorgte sich erneut ein Glas
Alexander — das letzte war hübsch schnell verschwunden.
»Ich versuchte, Ihrem Bruder
klarzumachen, daß er die Wahl zwischen der Polizei und Berufsmördern habe; aber
ich nehme an, er hat mir nicht geglaubt«, sagte ich gelassen.
»Und ich habe dieselbe Wahl — das
wollen Sie doch wohl sagen ?«
»Natürlich.«
»Sie sind verrückt !« sagte sie heftig. »Sie sind übergeschnappt. Und Sie auch,
Al Wheeler! Irre !« Sie fuhr herum und schleuderte das
volle Glas gegen ein harmloses Bild, das an der gegenüberliegenden Wand hing;
und gleich darauf gab es einen lauten Knall, als das Glas in einem Sprühregen
milchiger Scherben zersprang. »Haben Sie gehört !« fuhr
sie mich an. »Sie sind genauso verrückt! Warum glauben Sie mir nicht, wenn ich
sage, daß ich Ihnen die Wahrheit erzählt habe? Daß nie ein Tino Martinelli oder sonst jemand im Haus gewohnt hat ?«
»Weil eine alte Frau, die weiß,
daß sie im Sterben liegt, wesentlich weniger Grund zum Lügen hat als Sie«,
sagte ich. »Aber wenn Sie an Ihrer Version festhalten — mir soll’s recht sein.
Ich werde seelenruhig hier sitzen bleiben. Aber Duprez wird das natürlich nicht tun. Er wird das Licht ausknipsen und angeschlichen
kommen .«
Ihr Kopf zitterte leicht,
während sie mich finster betrachtete. »Sie sind ein sadistischer Dreckskerl, Al
Wheeler! Ich glaube, Ihnen macht das auch noch Spaß .«
Sie nahm den letzten Alexander,
und ich bereitete mich innerlich darauf vor, mich bücken zu müssen. Aber
anstatt damit zu werfen, nippte sie an dem Glas, und ich entspannte mich ein
wenig.
»Warum unterhalten wir uns
nicht über etwas anderes ?« schlug ich freundlich vor.
»Vielleicht zur Abwechslung einmal über Barnaby?«
»Was ist mit Barnaby ?« fragte sie mißgelaunt .
»Was war sein letzter und
größter Streich, der ihm schließlich den Hinauswurf und gleichzeitig die
Enterbung eingetragen hat? Ich würde es leidenschaftlich gern erfahren,
wirklich !«
»Es war nicht komisch«, sagte
sie mit gepreßter Stimme. »Es war gar nicht komisch .«
»Hatte Barney plötzlich seinen
Sinn für Humor verloren ?«
Sie starrte ein paar Sekunden
lang auf ihr Glas, bevor sie antwortete. »Einer der Farmer im Valley fuhr auf
Urlaub nach Long Beach und brachte sich eine Frau mit zurück«, sagte sie
langsam und merklich zögernd. »Er war Anfang Fünfzig, und sie war eine
zwanzigjährige Kellnerin aus einem Drugstore. Ungefähr ein Jahr lang war,
glaube ich, alles okay, dann begann sie, Umschau zu halten — und wie alle
weiblichen Wesen im Valley mit derartigen Bedürfnissen schaute sie zum Hügel
hinauf .«
Charity zuckte hilflos die Schultern.
»Ich sah sie ein paarmal — sie war nichts Besonderes. Billig und herausgeputzt —
und auch auf eine ordinäre Weise hübsch. Und sie war zu haben. Ich glaube,
Barney brauchte knapp fünf Minuten, um sie ausfindig zu machen. Er hatte für
diese Sorte weiblicher Wesen einen Instinkt wie eine Brieftaube.
Das hätte an sich nichts weiter
zu bedeuten gehabt — es war nicht das erstemal , daß
Barney in eines der Betten im Valley gekrochen war, wenn der Ehemann weit genug
von zu Hause weg war — nur wurde er diesmal erwischt. An einem Nachmittag kam
der Farmer ein paar Stunden früher nach Hause als erwartet und traf Barney mit
seiner Frau im Bett an. Er nahm ihn mit nach draußen und verprügelte ihn in
einem fairen und anständigen Kampf nach Strich und Faden.
Ich nehme an, was Barney
hauptsächlich dabei verletzte, war, daß das gesamte Valley davon erfuhr und
wochenlang darüber lachte. Da war Barney, ein athletischer
Fünfundzwanzigjähriger, der von einem doppelt so alten Mann vermöbelt worden
war, daß er in keinen Schuh mehr hineinpaßte . Barney
war von dem Gedanken besessen, sich irgendwie revanchieren zu müssen. Es mußte
sich um einen wirklich guten Streich handeln, überlegte er, auf Grund dessen
der Farmer als absoluter Trottel dastehen würde — das war die Lösung .«
Charity ging zur Couch zurück und
setzte sich wieder, ein paar Sekunden lang auf den Teppich starrend. »Die Frau
war ihm noch immer zugetan. Der Farmer hatte seinen Gürtel abgenommen und sie,
nachdem er mit Barney
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