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Gesponnen aus Gefuehlen

Gesponnen aus Gefuehlen

Titel: Gesponnen aus Gefuehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marah Woolf
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in den Raum, in dem sie sich versteckt hielten, und tastete sich den Flur entlang. Fieberhaft überlegte Nathan, was er tun sollte. Er konnte nicht sicher sein, dass da draußen die Handlanger seines Großvaters zugange waren. Vielleicht war es ein harmloser Einbrecher oder ein Wanderer, der Schutz suchte. Doch im Grunde wusste Nathan, wer sich auf lautlosen Sohlen näherte. Er schob sich zu Lucy hinter die Tür. Gerade rechtzeitig. Mit leisem Knarren öffnete sich die Tür, die gegenüber zum Badezimmer führte. Dann bewegte sich das zuckende Leuchten zu ihrem Zimmer. Nathan schob Lucy tiefer in den Schatten. Er wollte auf keinen Fall ein unnötiges Risiko eingehen. Da erlosch das Licht und ein Knurren ertönte. Der Geruch nassen Hundefells drang in seine Nase. Lucy unterdrückte einen Aufschrei. Nathan stieß mit aller Kraft das Türblatt zu. Ein Jaulen erklang. Im selben Augenblick sprang Nathan hervor und trat der riesigen Dogge, die im Türrahmen stand und sich benommen schüttelte, auf das Maul. Das Tier taumelte zurück und Nathan nutze den kurzen Moment, um es mit einem zweiten Stoß in das Badezimmer zu befördern. Hektisch zog er den Schlüssel aus der Innenseite des Schlosses und verriegelte die Tür. Lange würde Orion oder Sirius, er war nicht sicher, welcher von beiden es war, nicht brauchen, um diese aufzubrechen. Sobald er sich zurückverwandelt hatte, war dies ein Kinderspiel für ihn. Nathan versuchte, seinen Atem unter Kontrolle zu bringen, als er spürte, dass sich Lucys Hand in seine schob.
    »Wo ist der andere?«, flüsterte sie.
    Nathan zuckte mit den Achseln, bis ihm bewusst wurde, dass Lucy das in der Dunkelheit nicht sehen konnte. Er tastete nach dem Feuerzeug in seiner Hosentasche. Es half nichts, er musste das Risiko eingehen, ansonsten wären sie den Instinkten des zweiten Hundes hilflos ausgeliefert.
    »Wir müssen verschwinden, und zwar so schnell wie möglich«, erklärte er Lucy, nachdem das flackernde Leuchten keinen zweiten Eindringling offenbart hatte. Sollte sein Großvater nur eins seiner Geschöpfe geschickt haben? Nathan glaubte nicht daran. Wahrscheinlich wartete der andere irgendwo draußen.
    »Hol unsere Jacken. Ich schiebe die Kommode vor der Tür beiseite und schließe auf. Versuche leise zu sein. Wir wissen nicht, wo der andere sich versteckt hält.« Nathan zündete eine Kerze an und drückte ihr diese in die Hand.
     
    Auf Zehenspitzen schlich Lucy ins Schlafzimmer. In Windeseile verstaute sie das Medaillon und den Brief ihrer Eltern in ihrer Jacke und zog sie an. Dann griff sie nach Nathans Sachen und wollte zu ihm laufen. Sie schrak zusammen, als es in dem Moment, in dem sie an der Badtür vorbeieilte, fürchterlich krachte. Ihr Herz galoppierte davon. Der Mann, der in dem Badezimmer steckte, würde maximal zwei oder drei Versuche benötigen, um die Tür einzutreten.
    Nathan wartete am Eingang der Kate auf sie. Die Tür war nur spaltbreit geöffnet. Lucy blies ihre Kerze aus.
    »Siehst du was?«, fragte sie und lauschte nervös auf ein weiteres Krachen der Tür hinter sich.
    Nathan schüttelte den Kopf. »Aber ich glaube nicht, dass er allein ist.
    »Nathan«, hörten sie eine drohende Stimme hinter sich.
    Gleichzeitig fuhren beide herum.
    »Lass mich sofort raus. Dein Großvater hat uns beauftragt, dich und das Mädchen zurückzubringen.«
    »Uns«, formten Lucys Lippen und Furcht schlich sich in ihre Augen.
    Nathan nickte, antwortete der Stimme aber nicht.
    Wenige Sekunden später splitterte ein Brett aus dem Türblatt und polterte zu Boden. Eine massige Hand tastete durch den entstandenen Spalt nach dem Schlüssel. Nathan fluchte, doch bevor er reagieren konnte, war Lucy zu der Tür gesprintet und schlug nach der Pranke. Mit einem Ruck zog sie den Schlüssel ab und versuchte dabei, das heisere Gebrüll, das durch den Spalt drang zu ignorieren.
    Mit vier Schritten war sie zurück bei Nathan.
    »Wir müssen hier raus«, sagte er. »Wir müssen versuchen, es bis zum Auto schaffen.«
    Lucy nickte und versuchte, das Zähneklappern, das sie weniger durch die Kälte, sondern mehr aus Angst heimgesucht hatte, zu unterdrücken.
    »Das da drinnen ist Orion«, erklärte er ihr. »Sirius muss also draußen sein. Du läufst vor, ich gebe dir Deckung. Egal, was passiert, dreh dich nicht um. Lauf so schnell du kannst.«
    Er drückte Lucy den Autoschlüssel in die Hand und zog den Reißverschluss ihrer Jacke zu. Wenn du vor mir am Auto ankommst, dann fahr. Warte nicht auf mich.

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