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Gesponnen aus Gefuehlen

Gesponnen aus Gefuehlen

Titel: Gesponnen aus Gefuehlen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marah Woolf
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Fahr so weit weg, wie möglich. Der Tank ist fast voll. Im Handschuhfach ist etwas Geld. Es ist nicht viel, Lucy. Versuche, solange du kannst, damit über die Runden zu kommen. Rufe niemanden an, den du kennst. Verstecke dich, nur dann wirst du am Leben bleiben. Versprichst du mir das?«
    Lucy konnte sein Gesicht in der Dunkelheit kaum erkennen. Seine sorgenvolle Stimme hüllte sie ein. Dann spürte sie seine Hand auf ihrer Wange und schmiegte sich hinein.
    Sie nickte.
    »Es gibt da etwas, was ich noch gern tun möchte«, flüsterte Nathan an ihrem Ohr.
    Bevor Lucy fragen konnte, was es war, hatten seine Lippen sie gefunden. Sie schmiegten sich sanft und fordernd zugleich auf ihre. Seine Hand fuhr zu ihrem Nacken und zog sie zu sich heran. Lucy vergaß alles um sich herum. Das Einzige, was zählte, war dieser Kuss.
    Viel zu schnell war er vorbei, unterbrochen von einem ohrenbetäubenden Lärm. Die malträtierte Tür krachte aus ihrer Halterung und polterte gegen die gegenüberliegende Wand. Nur aus dem Augenwinkel sah Lucy die massige Gestalt, die aus dem Zimmer trat. Im selben Moment riss Nathan die Tür auf und stieß sie hinaus.
     
    *********
     
    Marie saß, eingehüllt in den raschelnden weißen Anzug, auf einem Hocker im Archiv und versuchte, die klebrige nasse Papiermasse auf ihrem Schoß zu entwirren. Am liebsten hätte sie alles hingeschmissen. Mittlerweile ekelte sie fast, was sie tat. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass es möglich war, diese Überreste zu retten. Die Bücher, die jetzt noch hier unten lagen, waren rettungslos verloren. In den ersten Tagen der Bergung hatten sie viele Bücher gefunden, die beinahe unversehrt geblieben waren. Oft waren nur die Einbände und die Ränder der Seiten verkohlt. Für die Restauratoren, die sie bei der Bergung begleiteten, würde die Rettung dieser Bücher ein Kinderspiel sein.
    Doch je mehr sie sich dem Brandherd näherten, umso größer wurden die Verwüstungen. Das Löschwasser hatte sein Übriges getan. Glück hatten die wenigen Bücher gehabt, die in metallenen Boxen aufbewahrt wurden. Durch die starke Hitze hatten zwar oft die Einbände Blasen geschlagen, aber die Texte waren in der Regel unversehrt. Die ungeschützten Bücher waren entweder bis zur Unkenntlichkeit verbrannt oder zu einem matschigen Brei mutiert. Die Restauratoren hatten ihr auch für diese Bücher Mut gemacht, aber Marie war sicher, dass sie sie lediglich trösten wollten.
    Sie hatte während ihrer Zeit, die sie hier arbeitete, viele beschädigte Bücher gesehen. Bücher, die die Würmer angefressen hatten und in denen Kerzen oder Öllampen Feuerflecken zurückgelassen hatten. Bevor in dem Archiv elektrischer Strom gelegt worden war, hatten die Archivare wohl oder übel auf offenes Licht zurückgreifen müssen. Vermutlich war ihnen nicht klar gewesen, welchen Schaden die Bücher auf Dauer nehmen würden. Jetzt erschienen ihr die Beschädigungen der Bücher durch Handschweiß, Schädlinge oder Schimmel wie Kinderkrankheiten.
    Stattdessen wirkten die verschlungenen Räume des Archivs nun wie ein Grab. Ein Grab für Tausende zerstörter Bücher. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, als sie daran dachte, was Lucy ihnen erzählt hatte. Auch Marie liebte Bücher mehr als alles andere. Nicht umsonst hatte sie sich für die Stelle in der Bibliothek beworben. Dass Bücher eine eigene Seele besaßen und in der Lage waren, mit Lucy zu sprechen, strapazierte ihre Fantasie jedoch arg. Zu gern würde sie ihrer Freundin glauben, aber wenn sie das tat, waren die Tode, die die vielen Bücher gestorben waren, noch schrecklicher.
    Marie streckte ihren Rücken durch, der ihr von der langen Sitzerei wehtat. Am liebsten hätte sie aufgegeben. Aber solange die Chance bestand, das ein oder andere halbwegs erhaltene Buch zu bergen, konnte sie das nicht. Das war sie Lucy und den Büchern schuldig. Immerhin wussten sie jetzt, dass es ihr gut ging, auch wenn Colin nicht viel mehr von Nathan erfahren hatte. Sie hoffte, dass Lucy sich bald meldete. Sie wollte wissen, was genau passiert war, nachdem Lucy verschwunden war. Behutsam zog sie zwei Bücher, die zusammenklebten, auseinander und bettete sie zwischen Folien in die Gefrierbox. Dann wandte sie sich dem nächsten Regal zu.
    »Marie«, hörte sie eine Stimme rufen.
    »Ich bin in Reihe L«, antwortete sie und griff nach einem Karton, der ihr sogleich aus den Händen glitschte und zu Boden fiel.
    »Mist, verdammter«, fluchte sie.
    »Lass es doch sein. Da ist

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