Gesponnen aus Gefuehlen
nichts mehr zu machen«, sagte die Stimme jetzt neben ihr.
»Doch, da ist noch was zu machen«, widersprach Marie verbissen. »Was willst du? Wohl kaum gute Ratschläge erteilen, Grace«, herrschte Marie ihre Kollegin an.
Die Angesprochene schüttelte den Kopf. »Nein, ganz sicher nicht. Telefon für dich.«
»Lucy?«, fragte Marie und bereute es sofort, denn die Augen des Mädchens funkelten neugierig.
Anstatt nachzufragen, schüttelte diese jedoch den Kopf und antwortete: »Nein, nicht Lucy. Es ist Miss Olive.«
»Ach du lieber Himmel«, entfuhr es Marie. »Weshalb will sie ausgerechnet mich sprechen?«
Marie sah an sich hinunter. Der Anzug und ihre Hände waren völlig verdreckt. »Frag sie, ob ich sie zurückrufen kann.«
»Sie hat aber schon mehrmals angerufen und jedes Mal habe ich sie vertröstet.« Grace wandte sich zum Gehen. »Na ja sie wollte sowieso Lucy sprechen, du bist nur die Notlösung. Aber vermutlich interessiert sie, weshalb Lucy ihr Archiv abgefackelt hat, wo sie gerade im Urlaub ist.« Das Mädchen lachte gehässig.
Marie starrte auf Graces Rücken, während diese sich entfernte. Die letzten Worte kamen nur verzögert bei ihr an. »Spinnst du? Lucy hat nichts damit zu tun. Warte. Ich komme mit.«
»Ich muss ihr sagen, dass Lucy keine Schuld hat«, murmelte sie vor sich hin.
»Das glaubst du doch selbst nicht«, sagte Grace.
Ich glaube, es würde mir nichts ausmachen,
im Fegefeuer zu schmoren, solange es dort eine Leihbücherei gibt.
Stephen King
11. Kapitel
Dichter Regen fiel auf die Erde. Der Pfad zu Lucys Füßen hatte sich in eine matschige Rutschbahn verwandelt. Die hohen Kiefern wurden von einem orkanähnlichen Sturm geschüttelt.
Kaum, dass sie vor die Tür getreten war, hatten die Hände des Windes nach Lucy gegriffen. Orientierungslos stolperte sie vorwärts. Nur langsam gewöhnten ihre Augen sich an die Dunkelheit. Trotzdem versuchte sie, so schnell wie möglich dem Pfad zu folgen, der zum Auto führte. Wenn sie den Hunden entkam, konnte sie fliehen. Sie drehte sich um, in der Hoffnung, Nathan hinter sich zu sehen. Aber sie war allein. Das Einzige, was sie hörte, war ein Bellen und Knurren aus dem Haus. Als Hund würde Orion sie in Windeseile einholen, wenn Nathan ihn nicht aufhielt.
Ein Schuss übertönte die Geräusche des regenverhangenen Waldes. Lucy fuhr zusammen. Das Geheul des Hundes brach abrupt ab. Eiseskälte überfiel sie. Was war da geschehen? Wer hatte geschossen? In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken. Das Auto konnte nicht mehr weit sein. Während sie rannte, wandte sie sich zur Hütte um. Sollte sie umkehren und nachsehen, was passiert war? Unschlüssig blickte sie den Pfad hinab.
Da sah sie ihn. Der zweite riesenhafte Hund hatte sich direkt neben dem Auto postiert. Lucy bremste ihren Lauf und glitt auf dem nassen Untergrund aus. Geduldig wartete er, dass sie sich aufrichtete. Bedächtig eine Pfote vor die andere setzend, kam das Tier auf sie zu. Schritt um Schritt wich sie zurück. Würde er sie anspringen? Wie paralysiert starrte sie in die dunklen, kalten Augen. Ihr wollte nichts einfallen, was sie tun konnte. In den Wald zu flüchten, hatte genauso wenig Sinn, wie zurück zur Hütte zu laufen.
Jetzt fletschte der Hund furchteinflößend seine weißen Zähne. Wie Dolche ragten sie aus dem Maul heraus. Lucy betätigte die Fernbedienung. Die Scheinwerfer blinkten kurz auf und die Innenbeleuchtung des Wagens ging an. Jetzt war es nicht mehr ganz so finster. Sie wog ihre Chance ab. Wenn sie in dem Wagen saß, würde der Hund die Türen nicht öffnen können. Erst musste er sich zurückverwandeln. Sie machte zwei Schritte nach vorn in Richtung Fahrertür. Die Lefzen der Bestie verzogen sich zu einem diabolischen Grinsen nach oben. Knurrend kam er auf sie zu. Er spielte mit ihr, wurde Lucy klar. Mit ihr und ihrer Angst.
Ohne weiter darüber nachzudenken, ob ihr Plan funktionieren konnte, rannte sie los. Sie schoss um das Auto herum. Der Hund setzte ihr nach. Lucy riss ihr Knie nach oben und versetzte ihm einen kräftigen Stoß. Kurz winselte er auf, um nach ihr zu schnappen. Mit der Faust schlug sie ihm kräftig auf die Nase und sprang in das Auto. Mit zitternden Händen verriegelte sie die Tür. Der Hund sprang auf die Motorhaube und verwandelte sich vor ihren Augen in den riesigen Mann zurück. Mit seinen Pranken griff er nach den Scheibenwischern. Geistergegenwärtig schaltete Lucy diese an und startete das Auto. Die Scheibenwischer
Weitere Kostenlose Bücher