Gesponnen aus Gefuehlen
Verzweiflung. Es widerstrebte ihr, Nathan im Stich zu lassen, aber momentan hatte sie keine andere Wahl. Sie musste das Problem mit Sofia besprechen, vielleicht wusste sie Rat. Sie und Harold hatten in den Jahren, in denen sie ihren Dienst bei den de Tremaines verrichteten, mehr erfahren, als Batiste lieb sein konnte.
Lucy zog sich die letzten Stufen an dem Handlauf nach oben. Sie trat durch den Durchgang in die Krypta und sah in das Gesicht des grinsenden Orion.
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Jules und Colin standen am Tresen einer Londoner Bar. Sie gehörte einem Freund von Colin und passte ideal in ihren Plan. Draußen war es dunkel, nur ein paar Straßenlaternen spendeten Licht. Bisher war alles so verlaufen, wie geplant. Sie hatten überlegt, dass es für die Beteiligten sicherer war, wenn viele Menschen in der Nähe waren. Also hatten sie jede Menge Freunde zu einer Party eingeladen. Die Stimmung war mittlerweile auf dem Höhepunkt angelangt. Die Anwesenden hatten sich um ein Karaokepult versammelt und grölten die Lieder, die auf der Leinwand angezeigt wurden.
Aufgeregt knabberte Jules an ihren Fingernägeln, während Colin seinen Kaffeebecher in den Händen drehte.
»Was, wenn es nicht funktioniert? Wenn er die Täuschung zu früh bemerkt und auf dem Landsitz anruft?«
»Selbst wenn er es zu früh bemerkt, kann er nicht wissen, wo Lucy ist«, versuchte Colin, sie zu beruhigen. »Das Wichtigste war, dass er von dort verschwindet und wenigstens einen seiner Hunde mitnimmt. Mehr konnten wir nicht erwarten. Colin griff beruhigend nach Jules’ Hand und hielt sie fest.
»Ich habe Angst«, flüsterte sie. »Wir haben uns überschätzt. Mit einem Mann wie Batiste de Tremaine scherzt man nicht.«
»Wir müssen das jetzt durchziehen. Lucy zählt auf uns, hörst du.« Er zog Jules an sich.
Sie lehnte sich gegen seine Brust und schloss die Augen. Wenn es bloß schon vorbei wäre, dachte sie. Kurze Zeit später sah sie auf die Uhr. Dann blickte sie in Richtung Toilette. Die Tür öffnete sich und Lucy trat heraus.
*********
Dieses Mal würde das kleine Biest ihm nicht entkommen, schwor Batiste zornig. Zwei Mal hatte er sich von ihr hinters Licht führen lassen. Diesmal bekam sie dazu keine Gelegenheit. Er hörte das Klingeln der altmodischen Glocke des Stadthauses. Batiste ließ sich in einen der Sessel des Salons fallen und trank einen Schluck von seinem Tee.
»Sie brauchen meine Hilfe, Batiste?«, sagte Sir Beaufort anstelle einer Begrüßung, während er auf ihn zu kam.
Batiste nickte mit zusammengepressten Lippen. Dann bot er seinem Besucher einen Platz an.
»Nehmen Sie sich eine Tasse Tee«, forderte er ihn auf.
Abwartend sah Beaufort ihn aus seinen tief liegenden Augen an.
»Es gibt ein Problem«, bekannte Batiste.
»Ein Problem?«
»Mit dem Mädchen«, erklärte er ungehalten.
Beaufort richtete sich auf. »Sicher keines, das sich nicht lösen ließe. Sie ist eine Frau. Wie sollte sie sich uns in den Weg stellen?«
Batiste schnaubte. »Diese Weiber stellen sich uns seit Jahrhunderten in den Weg.«
»Sicher, sicher.« Beaufort winkte ab. »Aber was haben sie schon erreicht. Also, wie kann ich behilflich sein?«
»Sie ist in London«, erklärte Batiste und versuchte, Beauforts hochgezogene Augenbrauen zu ignorieren.
»Sie ist Ihnen weggelaufen?«, fragte er.
»Wenn Sie so wollen. Das ist eine andere Geschichte. Ich bin jedenfalls nicht bereit, mich länger von ihr an der Nase herumführen zu lassen. Wenn Ihr sie wollt, könnt Ihr sie haben. Sie ist für mich nicht von Nutzen.«
»Für mich schon.« Beaufort rieb sich die Hände. »Sie ist jung und durchaus attraktiv. Ein bisschen mager vielleicht, aber das lässt sich ändern.«
Angewidert betrachtete Batiste den dünnen Mann in dem schwarzen Anzug ihm gegenüber. Wie schade, dass die Familien des Bundes seit Jahrhunderten aneinander gefesselt waren. Gern hätte er sich des ein oder anderen entledigt. Aber darum ging es jetzt nicht.
»Sie wird nie einwilligen, mit Nathan zusammenzuarbeiten. Das Einzige, zu dem sie hoffentlich taugt, ist, eine Erbin in die Welt zu setzen.«
»Oh, dafür werde ich sorgen.«
»Gut. Dann wäre das geklärt. Das Mädchen ist um acht mit seinen Freunden verabredet. Es braucht Geld und das soll es bekommen.« Batiste und Beaufort grinsten sich an.
»Das ist das Mindeste, was wir für sie tun können. Es wird ihr an nichts fehlen«, erklärte Beaufort. »Sie wird mir aus der Hand fressen, wenn ich mit ihr fertig bin.
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