Gesprengte Ketten
so in den letzten Wochen gelaufen ist. Entweder hast du dich nicht wohl gefühlt, oder es ist etwas mit deinen Eltern gewesen. So habe ich mir unsere Beziehung nicht vorgestellt."
"Willst du mir nun auch noch zum Vorwurf machen, dass ich nicht völlig gesund bin?", fragte Laura verletzt.
"Nein, dennoch ist es einfach zu viel", entgegnete er. "Wenn dir wirklich etwas an mir liegen würde, würdest du alles tun, um mit mir zusammen zu sein. Und nun entschuldige mich bitte, La ura, ich bin dabei, mich auf ein Gespräch mit einem Kunden vorzubereiten." Er legte auf.
Laura konnte es nicht fassen. Jannic hatte aufgelegt, einfach aufgelegt!
Langsam drückte sie den Telefonhörer auf die Gabel, so, als könnte sie noch etwas an Jannics Entscheidung ändern, wenn sie nicht abrupt auflegte. Er hatte aufgelegt! Bedeutete sie ihm denn nichts mehr? Hatte er vergessen, dass sie sich liebten? Sie dachte an die Stunden am See, an seine Worte, seine Küsse...
Vorbei! Endgültig vorbei!
Die junge Frau vergrub ihr Gesicht in den Händen. Sie wollte weinen, wollte schreien. Sie konnte es nicht. In ihr war alles wie erstarrt. Jannic hatte sie verlassen, endgültig verlassen...
Mit zitternden Knien stand sie auf und ging wie eine Mari onette zu dem Schränkchen, in dem die Tropfen standen, die ihr Dr. Marquard verordnet hatte. Sie zählte zwanzig Tropfen auf einen Teelöffel und schluckte sie hinunter.
Laura fühlte sich hohl und leer. Es war Jannics Liebe gewesen, auf die sie vertraut hatte, die ihr Stärke gegeben hatte. Nun war sie allein. Allein in einer Welt, die ihr dunkel und fein dlich erschien.
Auf ihrem Schreibtisch wartete eine weitere Doktorarbeit, die sie abschreiben musste. Sie zwang sich, zum Schreibtisch zurüc kzukehren und ihren Computer einzuschalten. Ich muss arbeiten, dachte sie, muss etwas tun, sonst werde ich verrückt.
Während der nächsten beiden Stunden versuchte Laura ve rgeblich, sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren. Ihre Gedanken wanderten immer wieder zu Jannic. Was hätte sie nach dem Anruf ihres Vaters denn tun sollen? Ihr war nichts weiter übrig geblieben, als nach Hause zurückzukehren. Warum wollte das Jannic nicht verstehen? - Natürlich, sie hatte oft Verabredungen absagen müssen, weil etwas mit ihrer Mutter gewesen war. Sollte sie ihre Mutter denn im Stich lassen?
Hinter Lauras Stirn meldete sich ein bohrender Schmerz. Ein enger Reifen schien sich um ihren Kopf zu spannen. Ihr Magen rebellierte, zog sich schmerzhaft zusammen. Ihr wurde übel. Vor ihren Augen erschienen flimmernde Punkte. Aufstöhnend legte sie den Kopf auf den Schreibtisch. Ihr war so schwindlig, dass sie nicht einmal aufstehen und zu ihrem Zimmer hinaufgehen konnte. Eine eisige Kälte kroch von ihren Füßen aufwärts durch ihren Körper.
Es dauerte eine ganze Weile, bis die Schmerzen nachließen. Die junge Frau ging ins untere Badezimmer und wusch sich das Gesicht mit eiskaltem Wasser.
Schön siehst du aus, dachte sie, als sie einen unbeabsichtigten Blick in den Spiegel warf. Ihr Gesicht war so bleich, als hätte sie wochenlang die Sonne nicht mehr gesehen. Ihre Augen lagen tief in ihren Höhlen.
Da es keinen Sinn hatte, an den Computer zurückzukehren, machte sich Laura daran, das Abendessen vorzubereiten. Ihre Mutter hatte sich Wurstsalat gewünscht. Sie setzte sich an den Küchentisch und schnitt Wurst, Käse, saure Gurken und Zwiebeln. Zwischendurch brachte sie ihrer Mutter, die in einem Liegestuhl auf der Terrasse lag, Kaffee und Gebäck.
Charlotte hatte den Nachmittag bei einer Freundin verbracht. Gleich nach ihrer Heimkehr verschwand sie in ihrem Zimmer und schaltete die Stereoanlage ein. Da ihr Vater im Garten ein neues Beet anlegte, machte ihm die laute Musik nichts aus. Laura, die noch immer in der Küche arbeitete, überlegte, ob sie ihre Schw ester bitten sollte, die Musik leiser zu stellen, ließ es aber sein, weil sie wusste, dass Charlotte nicht auf sie hören würde.
Sie deckte den Tisch zum Abendessen. Danach kehrte sie in ihr Arbeitszimmer zurück, um noch zu arbeiten. Auch wenn sich ihre Gedanken nach wie vor um Jannic drehen, schaffte sie es, ein ga nzes Stück weiterzukommen.
"Habt ihr etwas dagegen, wenn ich dieses Jahr meine Ferien nicht in irgendeinem Ferienlager verbringe, sondern auf einem Reiterhof in der Nähe von Paris?", fragte Charlotte, als sie beim Aben dessen saßen.
"Wer von deinen Freunden ist alles dabei?", erkundigte sich ihr Vater.
Charlotte zählte die Freunde auf, die
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