Gesprengte Ketten
sehr sie sich liebten, und sich zu küssen.
Das Mittagessen nahmen sie auf der Terrasse eines Restaurants ein, das unweit des Sees lag. Während sie Fisch und Salat aßen, beobachteten sie ein paar Kinder, die auf dem See um die Wette Tretboot fuhren, während ihre Eltern am Ufer standen und sie anfeuerten.
Eines Tages werde ich auch Kinder haben, dachte die junge Frau sehnsüchtig.
Als hätte Jannic ihre Gedanken erraten, sagte er: "Als ich noch ein Kind war, sind meine Eltern oft mit uns an den Waldsee gefa hren. Ich weiß schon jetzt, ich werde es mit meinen eigenen Kindern auch tun. Wo kann man schöner den Sonntag verbringen, als hier?" Zärtlich berührte er die Hand seiner Freundin.
Nach dem Essen gingen sie am jenseitigen Ufer des Sees b aden. Es war herrlich, mit Jannic an der Seite durch den See zu schwimmen. Laura drehte sich auf den Rücken, schaute mit halb geschlossenen Augen zum Himmel hinauf und fragte sich, ob sie träumte, oder ob es Wirklichkeit sein konnte, so unbeschwert und glücklich zu sein.
"Was hältst du davon, wenn ich dich heute Abend nicht sofort nach Hause bringe, sondern wir noch ins Kino gehen?", fragte Jannic, als sie nebeneinander im Gras lagen. Er rupfte einen Gra shalm aus und kitzelte sie damit am Hals.
Die junge Frau schob lachend seine Hand zur Seite. "Einve rstanden", erwiderte sie zu seiner Freude. "Meine Haare sehen zwar momentan fürchterlich aus, doch wenn du dich trotzdem in meiner Begleitung sehen lassen willst, bin ich dabei."
"Dafür verdienst du einen Kuss." Blitzschnell schob er sich halb über sie und küsste sie auf den Mund.
Mit ihren Sachen gingen sie in die Umkleidekabinen und zogen sich an. Danach beschlossen sie, in das Restaurant zurückzukehren, um dort in aller Ruhe Kaffee zu trinken. Arm in Arm schlenderten sie am See entlang. Sie hatten das Restaurant fast erreicht, als Lauras Handy klingelte. Erschrocken zuckte die junge Frau zusammen.
"Ich muss abnehmen", sagte sie gezwungen.
"Tu, was du nicht lassen kannst."
Laura meldete sich.
Es war ihr Vater. "Deiner Mutter geht es nicht gut, Laura", sagte er. "Sie hat Herzschmerzen. Das Nitrospray hat bisher nichts gebracht."
"Habt ihr schon Doktor Marquard angerufen?", fragte Laura.
"Er meldet sich nicht. Vermutlich ist er mit seiner Familie weggefahren."
"Dann ruft den Sonntagsdienst an."
"Laura, du kennst deine Mutter. Sie will keinen anderen Arzt. Ich weiß mir wirklich keinen Rat mehr."
"Du könntest ein Taxi rufen und mit ihr ins Krankenhaus fa hren."
"Und wie soll ich das gegen ihren Willen anstellen, Laura? Am besten wird es sein, du kommst so schnell wie möglich nach Ha use. Das wird deine Mutter wenigstens beruhigen. Du weißt, wie sie ist."
Laura nickte, obwohl ihr Vater das nicht sehen konnte. Sie b emühte sich, Jannic nicht anzuschauen, als sie erwiderte: "Gut, Papa, ich komme nach Hause."
"Beeil dich bitte."
Laura schaltete bedrückt ihr Handy aus und steckte es in die Tasche. Sie musste sich zwingen aufzublicken, denn sie ahnte, wie wütend Jannic sein würde. "Meiner Mutter geht es nicht gut. Ich muss nach Hause fahren. Ich hätte keine Ruhe, wenn ich sie einfach im Stich lassen würde."
Jannic Eckstein atmete tief durch. Er fühlte eine unsagbare Wut in sich. Also hatten es Lauras Eltern wieder einmal geschafft, i hnen den Tag zu verderben. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es ihrer Mutter wirklich so schlecht ging. "Laura, ich bin überzeugt, dass euch deine Mutter nur etwas vormacht. Nicht, dass ich glaube, dein Vater hätte dich angelogen. Er wird glauben, was er gesagt hat."
"Und wenn sie ihm nichts vormacht? Wenn es ihr wirklich schlecht geht?" Seine Freundin schüttelte den Kopf. "Nein, das kann ich nicht verantworten." Sie blickte zu ihm auf." Bitte, ve rsuche mich zu verstehen."
Ihr Freund war zu wütend, um den Schmerz zu empfinden, der Laura erfüllte. "Nein, ich kann dich nicht verstehen", sagte er und ging einfach weiter.
Auf der Rückfahrt nach Burghausen sprachen die jungen Leute kaum ein Wort miteinander. Laura hatte mehrmals versucht, Jannic ihre Beweggründe zu erklären. Er hatte auf stur geschaltet. Als sie merkte, dass sie nicht an ihn herankam, verfiel sie in Schweigen. Seit dem Morgen hatte sie keine Kopfschmerzen gehabt, nun spürte sie hinter ihrer Stirn einen bohrenden Schmerz, der sich tiefer und tiefer in sie hinein wühlte. Am liebsten hätte sie geweint. Nur mit Mühe gelang es ihr, gegen die Tränen anzukämpfen. Selten hatte sie sich so
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