Geständnis auf der Hochzeitsreise
überhaupt bemerkt hatten, dass Phoebe eine Zwillingsschwester hatte. Gelegentlich hatte sie zusammen mit einer Zofe ein Konzert besucht, aber stets verkleidet, um nicht erkannt zu werden.
Inzwischen war es Zeit zum Frühstück, daher wandten die jungen Damen sich dem Haus zu. Am Seiteneingang wurden sie von Tinson erwartet, dem ältlichen Butler. „Darf ich Ihnen den Korb abnehmen, Miss Penny?“, fragte er.
„Ja, bitte, Tinson, wir werden sie nach dem Frühstück in Vasen arrangieren. Ist Mama unten?“, erkundigte Penelope sich.
„Mrs. Ffolliot befindet sich mit Miss Sarah im Frühstückszimmer. Sie hat sich bereits gefragt, wo Sie bleiben, aber ich sagte ihr, dass Sie im Rosengarten seien und bald zurückkehren würden.“
„Vielen Dank, Tinson. Wir werden sogleich zu ihnen gehen. Mr. Geoffrey ist vermutlich noch im Bett?“, wollte Penelope wissen.
Mit ausdrucksloser Stimme antwortete der Butler: „Seit er schlafen ging, hat Mr. Geoffrey sich nicht gerührt. Er äußerte auch nicht den Wunsch, zum Frühstück geweckt zu werden.“
„Gut!“, erwiderten die Zwillinge wie aus einem Munde. Sie lachten über ihr ungebührliches Benehmen, und Phoebe nahm Penelopes Hand, als sie zum Frühstückszimmer gingen.
Lächelnd hob Mrs. Ffolliot den Kopf, als ihre älteren Töchter den Raum betraten. Sie bedauerte zutiefst, dass Penelope sich strikt geweigert hatte zu debütieren. Phoebes Einführung in die Gesellschaft war sehr erfolgreich gewesen, und Mrs. Ffolliot wusste, dass Penelopes lebhafte Art den Umstand, dass sie blind war, mühelos hätte wettmachen können. Was das Aussehen betraf, gab es keinen Unterschied zwischen den Mädchen. Bis zu Penelopes Unfall hatte sie selbst oft Schwierigkeiten gehabt, sie auseinanderzuhalten. Beide besaßen das gleiche lockige dunkelrote Haar und graue Augen, waren von gleicher Größe und Gestalt und verfügten über denselben Charme. Doch jetzt wirkte Penelope trotz ihrer üblichen Heiterkeit oft in sich gekehrt, und als wäre das noch nicht genug, um die beiden zu unterscheiden, ließ sie sich überallhin von ihrem großen Hund begleiten, Gelert, der seine junge Herrin führte.
„Guten Morgen, Mama. Guten Morgen, Sarah“, grüßten die Zwillinge.
„Guten Morgen, meine Lieben. Gab es viele Rosen? Wir sollten den Salon für unseren Gast schmücken, meinst du nicht auch, Phoebe?“, fragte Mrs. Ffolliot mit einem schwachen Lächeln.
Phoebes Wangen überzogen sich rosa, und Penelope lachte leise. „Das ist nicht nett von dir, Mama. Ich habe sie schon zum Erröten gebracht, und jetzt tust du das Gleiche.“
Phoebe setzte sich. „Penny, woher weißt du das immer?“
„Ich sagte dir doch, ich fühle es. Die Temperatur im Raum steigt um ein paar Grad!“, erwiderte Penelope, als Gelert sie zu einem leeren Stuhl neben der dreizehnjährigen Sarah führte. „Ist noch etwas da, oder hat Sarah alles aufgegessen?“
Sarah lachte über diese Anspielung auf ihren berüchtigten Appetit und meinte: „Es ist genug da. Soll ich dir ein Brötchen streichen?“
„Ja, bitte, Liebes. Ich bin beinahe so hungrig wie du.“
„Dann zwei Brötchen, Sarah“, neckte Phoebe sie. „Und ich läute Tinson, damit er noch ein Dutzend bringt!“
Das Frühstück verlief in heiterer Stimmung, ohne dass Geoffrey oder etwas anderes Unerfreuliches erwähnt wurde. Den Zwillingen war bewusst, dass Mrs. Ffolliot in Anwesenheit von Sarah nicht über die Situation reden wollte. Sie saßen bei ihrem Tee beisammen, bis es für Sarah Zeit wurde, in den Salon zu gehen und auf dem Pianoforte zu üben.
Als sie den Raum verlassen hatte, seufzte Mrs. Ffolliot und sagte: „Euer Bruder ist wieder im Haus, wie mir Tinson mitteilte. Ich glaube, er kam gestern spät am Abend an, oder eher heute früh am Morgen. Das wird etwas unerfreulich sein, aber vielleicht bleibt er nicht lange, und zumindest hat er dieses Mal niemanden mitgebracht.“
Bei seinem letzten Besuch war Geoffrey von seinem Freund Frobisher begleitet worden. Mrs. Ffolliot war der Meinung gewesen, dass seine Konversation ausgesprochen unpassend war für die keuschen Ohren ihrer Töchter.
Penelope hatte nie jemandem erzählt, dass er sich ihr gegenüber unerwünschte Freiheiten herausgenommen hatte. Dafür hatte er eine Ohrfeige geerntet, und Gelert hatte ihn gebissen. Diesen Zwischenfall wollte sie am liebsten vergessen.
„Es ist schade, dass er ausgerechnet jetzt gekommen ist, aber ich wage zu behaupten, dass er bis mittags schlafen
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