Gestaendnis im Orchideengarten
nur sein Kinn auf ihre Schulter und drückte sie an sich. Schweigend wartete er darauf, dass sie etwas sagte und das innere Band zwischen ihnen zerschnitt.
Sie atmete heftig, dann entspannten sich ihre Schultern, und sie ließ sich rückwärts in seine Arme sinken.
Sein Herz machte einen Sprung. Einen kurzen Augenblick lang ließ er das Glücksgefühl zu, spürte Freude und Erschütterung zugleich.
Sara nahm seine Hände und führte sie zu ihren Hüften.
Er trat einen Schritt zurück, damit sie sich zu ihm umdrehen konnte.
Sie legte die Hände auf seine Brust, ließ den Kopf jedoch gesenkt.
Sie war noch nicht bereit. Er streichelte sanft ihren Nacken und genoss das intensive Gefühl von Zusammengehörigkeit.
„Ich weiß, wie Ihnen zumute ist, glauben Sie mir“, sagte er ganz leise. „Ich verstehe, dass Sie den Namen ablehnen.“
„Woher denn?“, fragte sie matt. „Sie gehören zu den Rizzis, Ihnen steht doch die Welt offen.“
Er merkte, wie sich erneut eine Kluft zwischen ihnen auftat. Mit einer Hand hob er ihr Kinn, damit sie ihn ansah.
„Ich kann es deshalb verstehen, weil auch meine Mutter auf ein abgesichertes, privilegiertes Leben verzichtet hat aus Liebe zu einem Mann. Obwohl sie enterbt wurde, hat sie ihre Entscheidung nie bereut. Deshalb verstehe ich Ihre Bewunderung für Ihre Großmutter sehr gut. Und deshalb bin ich bereit, Ihnen dabei zu helfen, ihr Vermächtnis zu bewahren.“ Er lächelte sanft.
„Was meinen Sie damit?“ Ihre Wangen hatten Farbe bekommen, ihr Atem ging schneller.
„Die Orchideenhäuser sind Teil dieses Vermächtnisses, nicht wahr? Sie wollen Sie unbedingt erhalten.“
„Selbstverständlich! Es ist ihr Lebenswerk, ich führe die Arbeit nur weiter und versuche so, ein bisschen von der Liebe, die sie mir gegeben hat, zu bewahren. Sie hing an diesem Ort, und ich tue das auch.“
„Dann sollten wir uns dringend wieder an die Arbeit machen. Allerdings müssen Sie mir noch eine Frage beantworten. Woher beziehen Sie Ihre Sorten?“
„Aus der Natur!“, erwiderte sie lachend. „Im achtzehnten Jahrhundert brach das Orchideenfieber in England aus und erreichte seinen Höhepunkt in der viktorianischen Zeit. Alle waren begierig nach Orchideen, deshalb brach man auf nach Südamerika und Papua Neuguinea, um neue Sorten zu entdecken. Mein Urgroßvater kam dabei fast ums Leben, es war ein großes Wagnis, denn damals waren Expeditionen kein Zuckerschlecken. Tropenkrankheiten, wilde Tiere, kriegerische Stämme und Naturkatastrophen machten die Reisen riskant.“
Sie entzog sich seiner Umarmung, um den Wasserkocher wieder anzuschalten, was Leo sehr bedauerte.
„Wollen Sie Bilder sehen?“
Sie kramte erneut in einer großen Schublade und präsentierte ihm eine Hutschachtel voller Fotos.
Er schüttelte lachend den Kopf. Hier lagen historische Schätze achtlos in einer Wohnküche herum und vergilbten langsam, aber sicher.
Wusste Sara nicht, wie wertvoll diese sepiabraunen alten Aufnahmen waren?
Ihm war kaum etwas Persönliches hinterlassen worden, auch keine Fotos, was ihn traurig machte. Er hätte gerne mehr über seine Vergangenheit und die seiner Familie gewusst. Seine Tante konnte manche Fragen zwar beantworten, doch es war kein Vergleich mit dem Erlebnis, alte Fotos zu betrachten und Geschichten dazu zu hören. Deshalb ließ er sich gern darauf ein, Saras Familienbilder anzusehen.
Als sie ihm gerade ein Foto ihres Ururgroßvaters reichte, fiel sein Blick auf ein gefaltetes Diagrammpapier in der Schachtel.
„Ist das die Reiseroute?“
„Nein, das ist der Originalplan für ein tropisches Gewächshaus. Damals hatten die Fenchurches noch Geld, es wurde seinerzeit von einem sehr gefragten Landschaftsarchitekten entworfen.“
„Darf ich mal sehen? Ich finde Bauentwürfe faszinierend.“
Er war begeistert vom handwerklichen Können und der Expertise, die der mittlerweile über hundert Jahre alte Plan verriet. Er hatte noch nie ein solches Meisterwerk in den Händen gehabt, sogar den Namen des Architekten kannte er.
„Das ist unfassbar“, sagte er ehrfürchtig und bemerkte zufrieden, dass Sara ganz nah an ihn herangerückt war. „Wurde das je realisiert?“
„Nein, am Ende reichte das Geld nicht. Aber die beiden viktorianischen Gewächshäuser nebenan sind eine kleinere Version dieses Entwurfs. Es war nur ein Teil eines viel größeren Plans. Ich habe Ihnen am Samstag auf der Terrasse doch von den wundervollen Gärten meiner Großmutter erzählt. Damals gab es
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