Gestaendnis im Orchideengarten
Orchideen. Sie sprach es laut mit, im hochgestochenen Englisch des britischen Landadels.
„So was in der Art stellen Sie sich wohl vor?“, fragte sie seufzend. „Und dann kommen Busladungen von Touristen an, die ein Museum erwarten, ein schickes Café und einen Souvenirladen, in dem man Fotos meiner mit einem Diadem gekrönten, adligen Oma kaufen kann.“
Sie lachte trocken. „Ich könnte ja Eintritt verlangen, um meine finanzielle Lage aufzubessern. Nein, Leo, ich will nicht so tun, als ob das hier mehr wäre, als es in Wirklichkeit ist. Nämlich eine Zuchtgärtnerei und damit basta. Was wollen Sie, Tee oder Kaffee?“
„Tee bitte. Mir gefällt das.“
„Was?“
Sie brauchte eine Weile, bis der Groschen fiel.
„Oh nein, das kann nicht Ihr Ernst sein. Es muss noch eine Alternative geben. Bitte denken Sie nach.“
„Versuchen Sie doch, den Namen einmal anders zu lesen. Lady Fenchurch . Das weckt Vertrauen, ein wenig Ehrfurcht und bedeutet Tradition. Ich meine es ernst.“ Leos Augen leuchteten. „Sie kreieren damit eine Marke, zeigen, dass Ihre Orchideenzucht anders ist als alle anderen. Das ist ein Wettbewerbsvorteil, Sie sollten das nicht unterschätzen.“ Er grinste breit, als er ihre ungläubige Miene sah. „Warum haben Sie denn nicht gleich gesagt, dass Sie einen Adelstitel tragen?“
Sie presste eine Hand auf die Tischplatte, mit der anderen wedelte sie aufgeregt in der Luft. „Wettbewerbsvorteil? Na, danke. Meine Familiengeschichte als geniales Verkaufsargument. Wie ungeschickt von mir, dass mir das nicht schon früher eingefallen ist! Und lassen Sie mich gleich eines klarstellen. Ich habe keinen Titel. Meine Großmutter war zwar die Tochter eines Earls, doch sie hat einen Bürgerlichen geheiratet, und damit endete die Adelstradition bei ihr. Wenn ich im Leben etwas gelernt habe, dann, dass ein Adelstitel mehr Fluch als Segen bedeutet. Vergessen Sie also die Idee, ich werde den Titel meiner Großmutter nicht zu Werbezwecken missbrauchen“, sagte sie resolut.
Ihm krampfte sich das Herz zusammen. Plötzlich fühlte Leo sich mit großer Macht zu dieser Frau hingezogen.
Nicht wegen ihrer Attraktivität oder aus einer Erregung heraus. Es ging viel tiefer. Mit ihren Worten hatte sie ihn mitten ins Herz getroffen. Seine Empfindung war so stark, er konnte kaum noch denken.
Diese Frau sprach von Gefühlen, die er seit langer Zeit in sich vergraben hatte. Schüttete sie einfach vor ihn hin auf diesen unaufgeräumten Tisch und erinnerte ihn schmerzhaft an seine eigene Geschichte. Und daran, dass auch er einen anderen Weg hätte wählen können, anstatt sich und andere immerzu über sich selbst zu täuschen.
Jahrelang hatte er seine Gefühle, seinen Schmerz und die Ressentiments versteckt, er erkannte sie kaum mehr als seine eigenen. Das machte vieles auch leichter.
Und nun kam Sara und zeigte ihm, dass es auch anders ging.
Saras Großmutter hatte in gewisser Weise auch ihr Erbe der Liebe geopfert, genau wie seine Mutter. Und auch das hatte Auswirkungen auf die Nachkommen.
Es machte ihm fast Angst, wie ähnlich sie sich waren.
Obwohl sie seine Geschichte nicht kannte, schien es, als wäre sie ihm ganz nah, als wüsste sie genau, was in ihm vorging, besser als alle anderen. Seine Tante sah in ihm nur den ehrgeizigen Menschen, der auf Status bedacht war. Sara sah den ganzen Menschen, sie hatte ihre warme Hand um sein Herz gelegt …
Sein Gefühlspanzer hatte Risse bekommen.
Doch noch war Zeit, den Schaden abzuwenden und die Maske wieder aufzusetzen, hinter der sich der wahre Leo Grainger verbarg.
Er musste nur aufstehen und gehen, ihr alles Gute für die Zukunft wünschen, die Verbindung zwischen ihnen kappen und sein Leben einfach weiterleben. Immerhin hatte er seine Aufgabe schon fast erfüllt und ihr einige gute Ideen für ihr berufliches Weiterkommen mit auf den Weg gegeben.
Er konnte jederzeit aufstehen und sie sich selbst überlassen. Auch wenn das Risiko groß war, dass sie alles, was ihr etwas bedeutete, verlor.
Leo merkte, dass auch sie sehr bewegt war, ihre Hände zitterten, und ihr fiel der Zuckerlöffel aus der Hand.
Instinktiv stand Leo auf, ging auf sie zu und umarmte sie von hinten.
Er roch ihr Parfüm, den süßen Duft von Tee, Orchideen, Erde. Ehrliche Gerüche, echt und anheimelnd. Am liebsten hätte er ihren Schmerz und die Ängste aufgefangen in seiner zärtlichen Umarmung. Noch lieber hätte er sie geküsst.
Doch das war nicht der richtige Moment.
Deshalb lehnte er
Weitere Kostenlose Bücher