Geständnis
müssen.
Da sie alle vier Jahre zur Wahl standen, wollten sie ihre Wähler
auf keinen Fall verprellen. Wenn sie sich für die Absage
entschieden und Slone deswegen eine Niederlage kassierte, würde es
heißen, sie seien vor den Boykotteuren und Unruhestiftern
eingeknickt. Wenn sie für die Durchführung stimmten und Menschen
bei einem hässlichen Zwischenfall zu Schaden kamen, würden ihre
Gegner ihnen das ankreiden.
Ein Kompromiss wurde vorgeschlagen und aufgegriffen, dessen
Umsetzung rasch in Fahrt kam. Es wurde hektisch herumtelefoniert,
dann war der Kompromiss Realität. Das Spiel sollte nicht am selben
Abend in Slone stattfinden, sondern am nächsten Tag in einer noch
nicht genannten Nachbarstadt. Longview war einverstanden. Der
Trainer der gegnerischen Mannschaft wusste von dem Boykott und
hatte Blut gerochen. Der neutrale Austragungsort sollte erst zwei
Stunden vor dem Kick-off bekanntgegeben werden. Beide Mannschaften
würden etwa eine Stunde weit fahren, das Spiel ohne Zuschauer
absolvieren, und dann würde alles weiterlaufen wie gehabt. Alle
waren mit dem Kompromiss zufrieden - bis auf den Cheftrainer. Der
biss tapfer die Zähne zusammen und prophezeite einen Sieg. Was
blieb ihm auch anderes übrig?
Den ganzen Vormittag über und bis in den Nachmittag hinein
hatte der Bahnhof die Reporter magnetisch angezogen. Dort war
Boyette zuletzt gesichtet worden, und Boyette war ein gefragter
Mann. Sein furchtbares Geständnis wurde seit mittlerweile fast
vierundzwanzig Stunden ständig im Fernsehen gezeigt, aber seine
Vergangenheit hatte ihn eingeholt. Sein beeindruckendes
Vorstrafenregister war in aller Munde, seine Glaubwürdigkeit wurde
ernsthaft infrage gestellt. Experten jeder Couleur waren auf
Sendung, gaben ihre Meinung zu seinem Hintergrund, seinem Profil,
seinen Motiven zum Besten. Ein Sprecher nannte ihn rundheraus einen
Lügner und erging sich in endlosen Ausführungen über „diese
Perversen“, die alles taten, um einmal eine Viertelstunde im
Rampenlicht zu stehen, und es genossen, die Familien der Opfer
leiden zu sehen. Ein früherer texanischer Staatsanwalt äußerte sich
zur Fairness des Drumm-Prozesses und der höheren Instanzen und
versicherte dem Publikum, mit dem System sei alles in Ordnung.
Boyette sei eindeutig ein Verrückter.
Nachdem die Geschichte oft genug wiederholt worden war, ließ
der Schock etwas nach. Boyette war nicht mehr da, um weitere
Einzelheiten zu liefern oder sich zu verteidigen. Robbie Flak war
ebenfalls verschwunden. Die Journalisten wussten nur, dass sein
Wagen nicht vor der Ranzlei stand. Wo war er?
Drinnen im Bahnhof versuchten Sammie Thomas, Bonnie und Fanta,
sich an den Belagerungszustand zu gewöhnen und zu arbeiten. Es ging
nicht. Die Telefone schrillten ununterbrochen, und etwa einmal pro
Stunde gelang es einem besonders unverschämten Reporter, sich fast
bis zur Eingangstür durchzuschlagen, bevor er vom Sicherheitsdienst
abgefangen wurde. Mit der Zeit kapierte der Mob, dass weder Boyette
noch Robbie vor Ort waren.
Aus Langeweile fingen die Journalisten an, in Slone
herumzufahren, in der Hoffnung, irgendwo einen Brand oder eine
Schlägerei zu entdecken. Für ihre Hintergrundberichte interviewten
sie die Nationalgardisten, die auf den Straßen unterwegs waren, und
filmten immer wieder ausgebrannte Kirchen und Häuser. Sie redeten
vor Billardhallen und Kneipen mit aufgebrachten jungen Schwarzen,
sie hielten ihre Mikrofone in Pick-ups, damit die weißen Vigilanten
ihre wertvollen Kommentare abgeben konnten. Als sie auch davon
genug hatten, fuhren sie zum Bahnhof zurück und warteten auf
Nachricht von Boyette. Wo zum Teufel steckte der Mann?
Am späten Nachmittag versammelte sich im Washington Park eine
Menge. Als die Medien davon erfuhren, rasten sie sofort dorthin.
Ihre Anwesenheit zog noch mehr junge Schwarze an, und bald dröhnte
der Rap, und Feuerwerkskörper knallten. Es war Freitagabend -
Zahltag, Biertag, der Beginn des Wochenendes, Zeit, Dampf
abzulassen. Die Spannung wuchs.
Etwa vierzig Stunden nachdem er das Pfarrhaus mit seinem
ungeliebten Passagier verlassen hatte, kehrte Keith allein dorthin
zurück. Nachdem er den Motor abgestellt hatte, blieb er noch einen
Augenblick im Wagen sitzen, um sich zu orientieren.
Dana erwartete ihn an der Küchentür mit einer Umarmung, einem
Kuss und einem liebevollen „Du siehst müde aus“.
„ Mir geht es gut“, erwiderte er. „Ich muss mich nur
ausschlafen. Wo sind die Kinder?“
Die Kinder saßen am
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