Geständnis
raffinierteste Verbrecher, der sein Unwesen trieb.
Bis er gefasst war, wollte Keith seine Frau nicht aus den Augen
lassen.
Im Augenblick kümmerte er sich weder um sein Büro noch um die
Kirche. Danas Wohltätigkeitsarbeit und ihr randvoller
Terminkalender lagen auf Eis. Jetzt zählte nur die Familie. Hätten
sie die Zeit und das Geld gehabt, hätten Keith und Dana die Kinder
genommen und eine lange Reise gemacht. Sie sorgte sich um ihren
Mann. Er hatte eine unvergleichlich aufwühlende Erfahrung hinter
sich, eine Tragödie, die ihn nie wieder loslassen würde, und obwohl
es ihm völlig unmöglich gewesen war, sie aufzuhalten oder irgendwie
einzugreifen, belastete sie ihn. Mehrfach hatte er ihr erzählt, wie
schmutzig er sich nach der Hinrichtung gefühlt habe, wie er am
liebsten irgendwo geduscht hätte, um sich von Schweiß, Schmutz,
Müdigkeit und dem Gefühl der Mitschuld zu reinigen. Er schlief
nicht, er aß nicht, und wenn er mit den Jungen zusammen war, gab er
sich zwar große Mühe, wie üblich mit ihnen herumzualbern und zu
spielen, aber er musste sich dazu zwingen. Keith war nicht bei der
Sache, und als die Tage vergingen, merkte sie, dass sich das von
selbst auch nicht ändern würde. Die Kirche schien er vergessen zu
haben. Er hatte weder eine Predigt noch sonst etwas im Zusammenhang
mit dem kommenden Sonntag erwähnt. Auf seinem Schreibtisch lagen
stapelweise Zettel von Anrufern, bei denen er sich melden sollte.
Wegen angeblicher Migräne hatte er seinen Hilfspfarrer eingespannt
und ihm die Leitung des Abendmahls am Mittwoch übertragen. Er hatte
in seinem ganzen Leben noch nie Migräne gehabt, noch nie Krankheit
vorgeschützt und noch nie jemanden in letzter Minute gebeten, für
ihn einzuspringen. Wenn er nichts über den Fall Drumm las oder zur
Todesstrafe recherchierte, sah er im Fernsehen Nachrichten,
manchmal immer dieselben Meldungen. Irgendwas war im
Busch.
Der Bischof war ein gewisser Simon Priester, ein unförmiger,
alter Fettwanst, der mit der Kirche verheiratet war und absolut
nichts zu tun hatte, als sich in jede Kleinigkeit der täglichen
Arbeit seiner Untergebenen einzumischen. Obwohl er erst Anfang
fünfzig war, sah er viel älter aus und benahm sich auch so. Bis auf
ein paar weiße Büschel über den Ohren war er völlig kahl, und der
grotesk gewölbte Bauch hing in bizarrer Weise über die Hüften. Er
hatte nie eine Frau gehabt, die ihn ermahnt hätte, auf sein Gewicht
zu achten, passende Socken oder ein Hemd ohne Flecken anzuziehen.
Er sprach langsam und leise, wobei er die Hände normalerweise vor
dem Körper rang, als würde ihm jedes Wort von oben eingegeben.
Hinter seinem Rücken wurde er „der Mönch“ genannt - normalerweise
liebevoll, oft aber auch ganz anders gemeint. Zweimal im Jahr, am
zweiten Sonntag im März und am dritten Sonntag im September,
bestand der Mönch darauf, in St. Mark in Topeka zu predigen. Er war
Publikumsgift. Nur die Hartgesottensten der Herde kamen in seine
Gottesdienste, aber selbst die mussten von Keith, Dana und ihren
Mitarbeitern mühsam überredet werden. Wegen der wenigen Besucher
sorgte sich der Mönch um den Stand von St. Mark. Wenn du wüsstest,
dachte Keith, der sich nicht vorstellen konnte, dass andere
Kirchen, denen der Mönch seinen Besuch abstattete, besser gefüllt
waren.
Die Besprechung war nicht dringend, obwohl die erste E-Mail
mit den Worten begann: „Lieber Reverend Schroeder, ich mache mir
große Sorgen ...“ Der Bischof hatte ein Mittagessen - seinen
liebsten Zeitvertreib - für die nächste Woche vorgeschlagen, aber
Keith hatte nicht viel vor. Ehrlich gesagt, hielt er einen
Kurzausflug nach Wichita für einen guten Vorwand, die Stadt zu
verlassen und den Tag mit Dana zu verbringen.
„ Das hier kennen Sie bestimmt schon“, sagte der Bischof, als
sie brav um ein Tischchen mit Kaffee und Tiefkühlcroissants saßen.
Es war eine Kopie des Leitartikels der Lokalzeitung von Topeka, den
Keith noch vor Sonnenaufgang dreimal gelesen hatte.
„ Stimmt“, bestätigte Keith. Dem Mönch gegenüber verlor man
möglichst nicht zu viele Worte. Der war nämlich Meister darin,
diese aufzuklauben und einem daraus einen Strick zu
drehen.
Mit gefalteten Händen und einem großen Krümel an der
Unterlippe, der von einem nicht ganz verspeisten Bissen Croissant
stammte, sagte der Mönch: „Bitte missverstehen Sie mich nicht, mein
lieber Reverend, wir sind durchaus stolz auf Sie. Wirklich sehr
couragiert. Sie haben alle Vorsicht in den Wind
Weitere Kostenlose Bücher