Geständnis
Schlaf gefunden und um 3.30 Uhr Kaffee
aufgesetzt hatte, rief er um 7.30 Uhr erstmals in der Kanzlei von
Mr. Flak an. Er war sich nicht sicher, was er sagen sollte, falls
er den Anwalt erreichte, doch Dana und er hatten beschlossen, dass
sie nicht tatenlos zusehen wollten. Als ihn Flaks
Empfangssekretärin abwimmelte, rief er den nächsten Juristen
an.
Matthew Burns war stellvertretender Staatsanwalt und aktives
Gemeindemitglied von St. Mark. Keith und er waren gleich alt und
hatten gemeinsam die T-Ball-Mannschaft ihrer Söhne trainiert. Zum
Glück hatte Burns an diesem Dienstagmorgen keinen
Verhandlungstermin, trotzdem saß er im Gerichtssaal, um neue Fälle
anzuhören und die entsprechenden Verfahren zu eröffnen - ein Teil
seiner täglichen Routine. Keith fand den richtigen Saal, einen von
mehreren in diesem Gebäude, und beobachtete von einem Sitz in der
letzten Reihe aus, wie die Mühlen der Justiz mahlten. Nach einer
Stunde war er so nervös, dass er gehen wollte, nur wusste er nicht
recht, wohin. Nachdem Burns seine letzte Akte geschlossen hatte,
packte er die Unterlagen in seine Mappe und strebte zum Ausgang. Er
nickt Keith zu, der sich ihm anschloss. Auf einer abgenutzten
Holzbank nahe einer Treppe fanden sie mitten auf den betriebsamen
Fluren ein ruhiges Plätzchen.
„ Du siehst richtig übel aus“, scherzte Burns.
„ Danke für die Blumen. Aber ich weiß nicht, ob das die richtige
Art ist, seinen Pastor zu begrüßen. Ich konnte letzte Nacht nicht
schlafen, Matthew. Keine Minute. Hast du dir die Website
angesehen?“
„ Ja, allerdings nur zehn Minuten im Büro. Ich hatte von Drumm
noch nie etwas gehört, aber solche Fälle häufen sich in letzter
Zeit. Im Süden gehört das zum Alltag.“
„ Drumm ist unschuldig, Matthew“, sagte Keith mit einer
Gewissheit, die seinen Freund überraschte.
„ Tja, das behauptet jedenfalls die Website. Aber er wäre nicht
der erste Mörder, der auf seiner Unschuld beharrt.“
Die beiden hatten bislang kaum jemals über juristische Themen
im Allgemeinen oder die Todesstrafe im Besonderen gesprochen. Keith
nahm an, dass Matthew als Staatsanwalt ein Befürworter war. „Der
Mörder ist hier in Topeka, Matthew. Er saß am Sonntagmorgen in der
Kirche, wahrscheinlich nur ein paar Bänke von dir und deiner
Familie entfernt.“
„ Ich bin ganz Ohr.“
„ Er ist auf Bewährung draußen, verbringt gerade neunzig Tage
hier im Übergangshaus, und er stirbt bald an einem Hirntumor.
Gestern kam er bei mir im Büro vorbei, um sich geistlichen Rat zu
holen. Er ist ein notorischer Sexualtäter. Ich habe zweimal mit ihm
gesprochen, und er hat zugegeben, natürlich unter dem Siegel der
Verschwiegenheit, dass er das Mädchen vergewaltigt und getötet hat.
Er weiß, wo die Leiche vergraben ist. Er will nicht, dass Drumm
hingerichtet wird, aber er will auch nicht zur Polizei gehen und
aussagen. Er ist ein Schwein, Matthew, in jeglicher Hinsicht krank
im Hirn, und er wird in ein paar Monaten tot sein.“
Matthew atmete langsam aus und schüttelte den Kopf, als hätte
ihn eine Ohrfeige getroffen. „Darf ich fragen, wie du da
hineingeraten bist?“
„ Ich weiß es nicht. Es ist einfach so. Ich kenne die Wahrheit.
Die Frage ist, wie geht man vor, wenn man eine Hinrichtung
aufhalten will?“
„ Um Himmels willen, Keith ...“
„ Ich habe mit Gott gesprochen, und ich warte noch auf Seine
Eingebung. Bis die kommt, brauche ich deine Hilfe. Ich habe in der
Kanzlei des Verteidigers angerufen, aber das hat nichts
gebracht.“
„ Bist du denn nicht an deine Schweigepflicht
gebunden?“
„ Doch, und ich werde mich auch daran halten. Aber was, wenn der
Mörder beschließt, doch noch mit der Wahrheit herauszurücken, um
den jungen Mann vor der Hinrichtung zu retten? Was dann? Wie sollen
wir vorgehen?“
„ Wir? Nicht so schnell, mein Freund.“
„ Hilf mir, Matthew. Die Justiz ist für mich ein Buch mit sieben
Siegeln. Ich habe die Website gelesen, bis mir die Buchstaben vor
den Augen verschwommen sind, und je mehr ich gelesen habe, umso
verwirrter war ich. Wie kann man einen Mann wegen Mordes
verurteilen, obwohl es keine Leiche gibt? Wie kann man ein
Geständnis für wahr halten, das so offensichtlich von der Polizei
erzwungen wurde? Wie kann es sein, dass Mithäftlingen für eine
Zeugenaussage Strafminderung versprochen wird? Wie kann man einen
Schwarzen vor eine rein weiße Jury stellen? Wie können Geschworene
so blind sein? Wo waren die höheren Instanzen? Die Liste
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