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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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allem von Detlef, wie seine Frau ihn nannte, ein hagerer Typ mit vollem Haar und randloser Brille. Er sei praktischer Arzt für Rechtsleiden, scherzte er, sicher nicht zum ersten Mal, und berate Renate in juristischen Fragen. Schon seit Jahren, als sie noch die Immobilienfirma hatte.
    Die Blicke der hübschen Frau waren anderer Art. Neugierig, aber damenhaft, zu ihrer dezent pointierten Weiblichkeit passend. Er nannte sie Georgia. Wie sich bei Eingemachtem mit Sahne herausstellte, suchten sie gerade dringend einen Bauernhof.
    Gattin Lisbeth konnte es nicht lassen, Lukas als Experten hinzustellen. Für Bauernhöfe und Landleben überhaupt.
    Ich muß bei der Führung zu viel geredet haben! überlegte er und wollte widersprechen, doch Schnuckchen kam ihm zuvor. „Herr Dornberg hat Schottlanderfahrung!“ bestätigte er, als Abgeordneter in Platituden geübt.
    Kühl schaute der Arzt für Rechtsleiden über den Tisch. „Heißen Sie vielleicht Lukas?“
    Nach dem Nicken wurde sein Blick noch kühler. Dafür lächelte Georgia dem Hofhüter um so herzlicher zu.
    Das Thema blieb. Nun mit Schwerpunkt beim Experten. Um die Trockenlegung nichtunterkellerter Höfe ging’s. Da wußte er Bescheid. „Ringsherum an der Hauswand entlang aufgraben, gut einen Meter tief, das zu knappe Fundament mit Beton unterfangen, und dem Hof ein verschaltes Dach aufsetzen!“
    Hierzu tischte Lisbeth einen Mocca auf, der jedwede Ermüdung der Gäste auf Stunden vereitelte. Das Gespräch wurde intensiver. Erwachsene ganz bei einer Sache zu spüren, macht Kinder unruhig. Sie wollen hinaus, bewegt werden, wie junge Hunde. Notorische Familienvernachlässiger müssen da vor ihrem schlechten Gewissen kapitulieren. Nachdem alle den Bannkreis von Mutti Lisbeths Eigenduft beim Spülen und Aufräumen mehr oder weniger hilfreich gestört hatten, trat der Volksvertreter den großen Spaziergang mit seinen Lieben durch Gottes freie Natur unverzüglich an. Auch das mit schlechtem Gewissen. Er wäre lieber geblieben. Georgias Sohn Adrian, mit einem Buch in der Ecke, mußte zum Aufwiedersehnsagen aus tiefer Lesetrance geweckt werden. Verdattert gab er Stimmbruchtöne von sich.
    Die Tür fiel ins Schloß. Für einen Augenblick herrschte Stille. Atmosphärisch war man unter sich, es hätte lustig werden können, wäre nicht dieser Detlef ohne jede Leichtigkeit beim Thema geblieben. Wohl ihm zuliebe hielt auch seine Frau an Wärmedämmung ohne Styropor fest, weil das die Mäuse fressen. Nebeneinandersitzend machten die beiden mehr einen höflichen als geschlossenen Eindruck. Form statt Ergänzung.
    Manches von dem, was sie über Aus- und Umbau wissen wollten, hatte Lukas erst in der Nacht gelesen. Sein Stoff reichte mühelos bis zur Teestunde. Er setzte gerade Leitungswasser auf, da kehrte, überraschend früh, die Politikerfamilie zurück. Müde gelüftet, aber erfrischt und mit sich zufrieden, fanden sie nicht mehr in den Kreis, wollten das auch nicht. Die Bamsen nuckelten im Stehen an Limoflaschen und Mutti drängte zum Aufbruch. Sie fürchtete den Rückflutverkehr der Sonntagsausflügler.
    Deutschland ist Weltmeister im Abschiednehmen! dachte Lukas, als die zweite Händeschüttelorgie kein Ende nehmen wollte. Detlef mit dem kühlen Auge hatte unterdessen neue Fragen ersonnen, die das Gespräch bis in die Dämmerung weiterbeförderten. Nun konnten sie nicht fahren. Des Rückflutverkehrs wegen. Lukas sah das Band der Scheinwerfer auf der fernen Straße, und die hübsche Frau schenkte ihm einen lieben Blick: „Erst nach zehn geht’s wieder!“
    Er wandte sich ihrem Mann zu. Nachgerade feindselig sah der ihn an.
    Was hat er denn? Kann eigentlich nur mit Renate zusammenhängen. Er dürfte in ihrem Alter sein... Wenn er mich nicht mag, warum ist er nicht längst gefahren? Sein Problem... Fortan wandte er sich hauptsächlich an sie. Das Gespräch wurde heiterer, herzlicher der Ton, was den Mann nicht im geringsten zu stören schien.
    Um die Zeit der Abendnachrichten wechselten sie von der Eckbank in der Stube auf die in der Küche. Lukas deckte den Tisch für ein kaltes Abendbrot. Georgia half ihm. Sie steuerte Warmes bei, aus Lisbeths noch immer reichlicher Hinterlassenschaft. Die vielen kurzen Gänge hin und her, zwischen Tisch, Kühlschrank, Herd, Küchenkasten und Anrichte, machten Berührungen unvermeidlich.
    Zuerst glaubte Lukas an Absicht, nach ein paar prüfenden Blicken entschied er sich für Zufall. Georgia war verspielt, ohne Berechnung. Sie gehörte zu

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