Geständnisse eines graumelierten Herren
größer, wuchtiger und blonder. „Grüß Dich! Bist mit’n Radl da. Dann geht’s dir ja wieder...“ Der Gebrauch des dörflichen Du ließ ihn stocken. „Wollen’s mich b’suchen?“
„Ja. Schau’n was du da baust.“
Damit war die Weiche gestellt. Schließlich ist es eine Auszeichnung, wenn man zu einem Fremden Du sagt. Er stellte sogar seinen Helfer mit dem markanten Schädel vor, den Luggi. Dann gingen sie zum Stall. Aus dem neuen Schwemmkanal hinter den Standplätzen wurde gerade die Verschalung entfernt, gestapelte Ziegel lagen herum, aber in dieser Woche sollte noch alles fertigwerden, für die Umstellung auf Bullenzucht. Falls der Luggi durchhalte. Pantomimisch kippte Maxi eine Flasche, dann wurde er psychologisch.
Der Luggi sei ein armer Hund, schon dreimal in der Entziehung gewesen. Bei seinem Bruder, dem Großbauern, habe er zwei Zimmer im Zu-Haus und lebe von Gelegenheitsarbeiten, weil niemand ihn fest einstellen wolle. Dabei sei der Mann ein Künstler, der alles beherrscht, vom Schlosser-, Hafner-, Spenglerhandwerk bis zum Elektriker und Stukkateur.
Mitleidend schüttelte Maxi den friesenblonden Schopf, lachte aber dabei, weil der Besuch ihn freute und sann nach Gutem, um es Lukas anzutun.
„Nein, jetzt kein Bier und auch keinen Schnaps! Ich will nicht bei der Arbeit stören.“
Die gutgemeinte Verneinung half nichts. „Ich hab’ a Reh g’schos-sen! Da geb dir was mit. Dann hast was G’scheits zum Essen.“
Das mächtige Mannsbild verschwand, der vergleichsweise zarte Luggi schob eine Schubkarre voll Mörtel herein, lud sich die Kelle voll und verstrich die Masse auf einem angefangenen Mäuerchen. Mittendrin drehte er seinen Charakterkopf Lukas zu. „Sie sind auf’m Bühlhof.“
Es war, nach Landesart, eine Feststellung, keine Frage, somit kein Grund ein Gespräch anzufangen. Instinktiv entschied sich Lukas für Lob, der Hof sei besonders schön.
„Mei Großmutter war von dort“, bekannte der Luggi. „Schön haben sie’s herg’richt’ des alte Sach’, die beiden Frau’n.“ Wieder uneingeschränktes Lob, dazu Kritik an manchen anderen Höfen mit Tradition, die von ihren neuen Besitzern grausam verschandelt würden.
Gelassen hob der Luggi die Schultern. „Mei, was willst macha? Die mit der Tradition brauchen a Geld und die mit’m Geld woll’n Tradition.“
Das Gespräch sollte den Rückweg bestimmen. Den Rehschlegel im Plastikbeutel unter der Klammer des Gepäckträgers, machte Lukas Umwege. Daniela hatte ihm von einer hügeligen Gegend in der Nähe erzählt, wo ein halbes Dutzend Einödhöfe mit Gebirgsblick von Städtern aufgekauft und umgebaut worden waren, sehenswert, wie sie meinte, unter verschiedenen Blickwinkeln. Von Maxis Stallausbau ungewöhnlich beeindruckt, nahm er die Hinterlassenschaft picknickender Sonntags-Naturfreunde am Wegrand, Blechdosen, Pappteller, Flaschen, allerlei Plastik und Papier, nur begrenzt wahr. Die handfeste, dem Menschen unmittelbar nützliche Arbeit, trotz der Ausmaße, von nur zwei Mann ausgeführt, wäre geeignet, einem Männchenmaler Komplexe einzuimpfen. Lukas beflügelte sie nachgerade. In der Stadt verpufft die Luft zu sinnvoller Selbsthilfe oder bleibt im Ansatz stecken. Bis sämtliche, von der Werbung suggerierte Spezialwerkzeuge, ohne die sich angeblich selbst Kleinigkeiten nicht mehr ausführen lassen, angeschafft sind, hat längst anderes Vorrang — redet man sich ein, um keine Zeit mehr dafür haben zu müssen.
Auf dem Land ist der Atem länger, nicht nur bildlich gesprochen. Tiefes Durchatmen — hier Bedürfnis — verleiht Ruhe und Kraft, die Allgegenwart der Natur regt an, sich zu regen, sie zeitigt Einfälle, auch ohne Spezialgerät.
Obwohl sich Lukas nur vorbeiradelnderweise umsah, glaubte er doch finanziellen und persönlichen Einsatz zu unterscheiden, mochte sich letzterer auf Kleinigkeiten beschränken, die der Gesundheit förderlicher sind als dem Gesamtbild. Eine exotische Pflanze, ein schiefes Vogelhäuschen, ein allzu velourshaft gemähter Rasen, rühren mitunter mehr als sie stören und geben selbst dem Millionenobjekt einen Zug von Schrebergärtnerglück.
Stil fällt Städtern auf dem Land noch schwerer.
Vor einer Weggabelung am alten Lattenzaun ein Brett, darauf das Wort bauernmöbel in freihändiger Pinselschrift.
Lukas trat in die Pedale und bog in Richtung Bühlhof ab. Ein andermal würde er sich das alles genauer ansehen, zusammen mit Daniela und Renate. Sie kannten wohl die meisten. Jetzt wollte
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