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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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beschaulichen Lesenachmittag und — da sie von ihrem Wohnrecht Gebrauch machte — den wortkargen Bildschirmabend der Durchschnittsehe.
    Kritik dieser Art hatte Martina wohl schon zu hören bekommen, oder wußte, aufgeklärt durch die Fernsehwerbung, zumindest, daß insbesondere sehr dünne Menschen zu Isolierungsschwierigkeiten der Magenchemie neigen.

    Lukas war früh zu Bett gegangen und wurde früh von einer aufdringlichen Sonne geweckt.
    Ausgerechnet sonntags muß es schön sein! Also raus! Vielleicht gelingt es wenigstens, allein Tee zu trinken.
    Martinas Liebe hatte unter dem partnerlosen Schlaf sichtlich gelitten. Unfrisiert, ungewaschen und ohne Ausstrahlung, erschien sie spät zum Frühstück, stumm setzte sie sich an den gedeckten Tisch. Allein ihr Mund schob eine Bugwelle von Frische vor sich her, die Rührung heischte.
    Trotz der zu erwartenden Invasion trödelte sie vor sich hin. Auf sein Drängen, sich endlich anzuziehen, weil er nicht allein den Prellbock für landhungrige Städter spielen wollte, erfuhr er ihr Programm. Die kämen erst um eins und würden alles mitbringen. Man grille nämlich draußen, okay?
    „Die Fernsehbäuerin gibt sich die Ehre.“ Seine Bemerkung trug dazu bei, die verhärtete Front weiter auszubauen.
    Mit dem Zollstock maß er die schon ersonnene Konstruktion einer Seilwinde über dem Brunnenschacht, sowie des Häuschens zu deren Schutz ab und dachte auch sonst an sich.
    Was mach ich? Martinas Handlanger spielen für Leute, die nicht wegen Daniela oder Renate kommen? Mich vergraben? In die Stadt fahren...?
    Ein wichtiger Gedanke kam dazwischen und trieb ihn hinüber zum Zu-Haus: der durch beide Geschosse gehende Kachelofen, neben dem offenen Kamin im Wohnraum, künftig einzige Wärmequelle, war im oberen Stock noch nicht ausgemessen. Über die angeschraubte Außenleiter hinaufgeturnt, zog er die Tür hinter sich zu. Der Raum, mit Brettern auf Zentimeterabstand vernagelt, glich einer luftigen Tenne. Mit Dachpfannen, die hier gelagert waren, markierte er einzuziehende Wände, so, daß der zentrale Ofen alle Räume beheizt.
    Hupen und laute Fröhlichkeit hinderten ihn an der endgültigen Entscheidung über das Badezimmer. Zwischen den Latten hinausschauend, zählte er sieben Menschen im mittleren Erfolgsalter, freizeitlich gekleidet zwischen Bergseilschaft und Yachtclub, ausgerüstet mit Pudel, Geländewagen, klimatisierter Picknickbox, Golfschirm, Grillgeräte, Stereokassettenartillerie und weiteren Schau- und Lärmstücken bürgerlicher Dynamik.
    An der Hoftür erschien ländlich-modisch die Bäuerin, wie im Heimatfilm. Doch sie geleitete die Gäste nicht in den Hof, vielmehr hinüber zum Zu-Haus, wo sie ihnen Staunen entlockte. Mitunter durch kräftige Übertreibungen, wie eine Fußbodenheizung, über die sie sich noch nicht schlüssig sei. Die Gäste reagierten erwartungsgemäß, sie lobten das Ländliche und die Landschaft gleichermaßen.
    Oben war jedes Wort zu verstehen. So erfuhr Lukas auf die Frage eines Mannes, wer denn hier ausbaue, seine Rolle in dem Stück.
    „Meine Freundinnen haben einen... nun ja, so einen Hausmeister. Der macht das alles. Ganz brav nach meinen Angaben.“ Im Obergeschoß, wo es noch nichts zu zeigen gab, löste das Stichwort Gedanken aus.
    Was macht ein Hausmeister am Sonntag? Jedenfalls keine Wände vermessen. Er geht ins Wirtshaus, oder besucht den Nachbarn...
    Während sich die Fernsehbäuerin mit ihren Gästen zum Hof begab, um dort die Führung fortzusetzen, bog von der Hauptstraße ein Wagen in den Feldweg ein. Am Garten vor dem Hof wurde die Fahrt auf Schrittempo verlangsamt, zwei ältere Köpfe schauten hinüber zu der Gruppe, der Wagen zog an und fuhr weiter.
    Freunde von Renate und Daniela? Nicht meine Sorge. Wenn Städter Städter vertreiben...
    Ungesehen stieg der Hausmeister die Leiter hinunter und gelangte durch eine der Türen des ehemaligen Stalls in den Hof. Es traf sich gut. Martina und Gäste lärmten im Obergeschoß; ausgestreckt auf seinem Bett im Stüberl wartete er das Ende der Führung ab. Das angekündigte Grillen vor dem Hof ermöglichte es ihm, sich in der Küche ungestört zu verköstigen, mit Gratisblick auf jene betont urwüchsige Fröhlichkeit, die im Voralpenland seit eh und je den Städter befällt und verrät. Einmal kam Martina herein, um etwas zu holen, doch sie sagte nur, was sie ohnehin sah: „Ach, da bist du!“
    Lag’s am Trinken aus der Flasche, am Essen mit den Fingern — die Urwüchsigkeit nahm

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