Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
Vom Netzwerk:
fiel ihm ein, das es bei seinem letzten Besuch vor zehn Jahren noch nicht gegeben hatte: Freizeitwert. Der war hier nicht zu übersehen. Mit schwerem Freizeitgerät, vom Liegestuhl bis zum Gartenschirm, setzten auf der anderen Wegseite Waldrandsch... — das würden sie sich wohl bis zum Schluß aufheben, also besser — Freizeitwertverwerter ihre Köpfe, aber auch wenig attraktive Körperpartien, zum Teil nur dürftig mit Unterwäsche verbrämt, direkter Bestrahlung aus.
    Obwohl der Drang in die Natur diese sichtlich nicht verschönt, fühlte sich Lukas mit den Halbärmelfreizeitlern belustigt-solidarisch. Heut war auch er Städter in der Landschaft, ohne Stützpunkt. Vom Knie des Feldwegs führte ein schmaler Pfad gradaus in den Forst.
    Hier muß es zum Fluß gehen! Da war ich noch nicht. Mal reinspringen? Abschied vom Sommer nehmen? Ist vielleicht der letzte heiße Tag...
    Die Waldkühle lockte zum Durchatmen, der weiche Boden schluckte seine Schritte, kein Batterielärmer war mehr zu hören. Nach wenigen Minuten wurde es heller, er stand am steilabfallenden Hochufer. Drunten, hinter einer breiten Kiesbank mit Mulden und Hügeln, auf denen im schmalen Grasrand sogar Büsche aushielten, der ungebändigte Fluß. Da und dort vereinzelt Badende. Mit dem Geröllfahrstuhl hinunter, vorwärts durch feinen Sand, über grobes Gestein, stapfte er ans Wasser und beugte sich zur Temperaturprobe.
    Nicht so warm, wie erhofft. Nicht so kalt wie befürchtet! Und als Handtuch nehmen wir die Sonne.
    Die Steine waren für den schuhverwöhnten Fuß gewöhnungsbedürftig und naß, so glitschig, daß er sich auf alle viere begab und nach Krokodilart ins Wasser rutschte. Der Badegenuß währte jedoch nur kurz. Oben am Hochufer erschien eine Gruppe betont uriger Menschen, — die Fernsehbäuerin und ihre Gäste.
    Muß das sein?
    Während der Kopf noch dachte, handelten die Muskeln. Mit seinen Kleidern überm Arm stapfte der gestörte Hausmeister zum nächsten Busch und weiter flußaufwärts zur Biegung.
    Deine Schuld! warf ihm sein esoterisches Ich vor. Du wolltest mit den Leuten nicht einmal reden. Damit hast du dich auf sie konzentriert.
    Zusehends gewöhnten sich die Füße an ihre ursprüngliche Beanspruchung. Das beschleunigte seinen Gang. Hinter dem Bogen schwang das Hochufer sanft und grün zum Wasser hinunter, Büsche auf Abstand in Fallinie gepflanzt bildeten Trennwände für Sonnenhungrige. Das Grün war rosig gesprenkelt. Bis hierher kamen die Sonnenbrater, wenn’s näher der Stadt zu voll war.
    Unten, wo Lukas dahinstapfte, veranschaulichte das Geröllband die Breite des Flusses bei Hochwasser. Hier hatten sich nur wenige niedergelassen. Auf einem angeschwemmten Baumstrunk legte er seine Sachen ab und setzte die unterbrochene Erfrischung fort. Kühle und Distanz stimmten ihn zufrieden.
    Drüben am Hang drängten sich die Menschen, teils mit, teils ohne Badekleidung.
    Dieses Campieren zwischen Fortpflanzungsattributen wäre bei seinem letzten Besuch noch nicht möglich gewesen! registrierte der Männchenmaler. Vor zwanzig Jahren in dem Haus am See mit der ganzen Clique haben wir auch nackt gebadet, huschend, bei Mondlicht. Das war Eros. Nicht Warenauslage.
    Erfrischt und endlich unstörbar allein, schob er sich nach dem Bad einen Stein unter den Hinterkopf und schloß, in dem Gefühl, das Beste aus seiner Hausmeisterfreizeit gemacht zu haben, die Augen.
    „Guten Tag. Meine Mutter läßt fragen, ob Sie nicht zu uns kommen wollen?“
    Der Stimmbruchtonfall kam Lukas bekannt vor. Die Zuordnung der Stimme zur Mutter, der ausnehmend hübschen Georgia, gelang überraschend mühelos. Er schlüpfte in jenes Kleidungsstück, das auf englisch wie auf deutsch Slip heißt und fragte, ohne es zu wollen, nach der Personenzahl. Nur Mutter und Sohn, Papa sei auf Geschäftsreise, erfuhr er und folgte dem Knaben Adrian voll Selbstironie.
    Wie behend ich über das Geröll federe! Ein geschmeichelter Sieger. Wie vor zwanzig Jahren. Als könnte sie nur meinetwegen herausgefahren sein! Ich hab ja immer wieder an sie gedacht. Wo ist sie denn?
    Er merkt, wie ihn die Frage strafft.
    „Hallo. Herr Dornberg.“
    Auf blauem Frotteetuch mit weißem Rand, in blauem Badeanzug mit weißem Rand, reckt sie den Arm aus dem Grün, — erfreulicher Kontrapunkt zur Fleischauslage. Bekleidet sind eigentlich nur die ganz Jungen. Im Händedruck senkt er sich an ihre Seite. Sie scherzen über den netten Zufall, während sie einander betrachten, um so tun zu

Weitere Kostenlose Bücher