Geständnisse eines graumelierten Herren
Bierzeltformat an und setzte drinnen den Männchenmaler unter Druck. Unbeirrt gesteuert, gleich der Nadel eines Schwingungsaufzeichners, fuhr der Zeichenstift über das Papier, kein Auftrag, kein Verwendungszweck beengte die gestaltende Hand in dieser schöpferischen Viertelstunde, bevor Lukas mit Trauben als Nachtisch, den Hof durch den Stall verließ.
Beim Bauerngärtchen um die Ecke war die urwüchsige Fröhlichkeit erschöpft. Stereobeschallt lagen die Griller in der Sonne. Einige Frauen zeitgemäß-zünftig mit freien, auseinanderstrebenden Busen.
Das Zu-Haus als Sichtblende hinter sich, ging er über die Wiese zum Weg.
Auf dem Pacherhof gab es eine elektrische Türklingel. Nachbarn ignorieren die Hilfe gern, sie schauen lieber selber nach, in Stube, Küche oder Stall, je nach Tageszeit. Am Sonntagmittag genügt ein Blick ins Stubenfenster neben der Tür. Drin lag der Bauer auf dem Kanapee und las in einer Landwirtschaftszeitung; die Hoftür war nicht abgesperrt. Lukas machte sich bemerkbar. Ungelegen kam er nicht, das war zu spüren, auch nicht überraschend.
„Hat’s recht viel B’such mit’bracht, die Fernsehbäuerin?“
Dem Wetter allein die Schuld zu geben, darin mochte der Pacher seinem Gast nicht folgen. „Wenn die Katzen fort sind, tanzen die Mäus’.“
Lukas unterließ es, sich als Aushilfskater zu sehen. Er hatte sich auf eine der lehnenlosen Bänke niedergelassen, die der Eckbank gegenüber um den Tisch standen und sah, daß aus der erhofften Kaffeestunde nichts werden würde: der Pacher-Alois trug sein Sonntagsgewand und band sich die Krawatte. In der Stube war alles alt. Eckbank, Buffet, Kanapee einschließlich des Christus im Herrgottswinkel. Nur der Fernseher stand, von einer Topfpflanze gekrönt, auf metallenem Fuß, sozusagen in eigener Verantwortung. Über dem Tisch hing ein kleines Wagenrad, daran vier Blechtüten, in jeder eine Glühbirne.
Das Gespräch drehte sich um Bewältigung des Alltags. Nach seiner einleitenden Frage, wie Lukas zurechtkomme, meinte der Pacherbauer, ob es nicht mühsam sei, ganz allein im Zu-Haus zu arbeiten.
Der ländliche Nachrichtendienst hatte zuverlässig gearbeitet. Sicher mit Unterstützung von Frau Schmidhuber. Was Lukas da eigentlich baue, fragte er nicht, wäre auch nicht dazu gekommen, denn die Bäuerin erschien, eine kleine quecksilbrige Person mit Augen, deren Glut die einstige römische Besatzung bestätigte, im Sonntagsgewand auch sie, gefolgt von Agnes, dem fünfzehnjährigen Dirndl, blond wie ihr Vater und blauäugig, und dem schwarzlockigen Pepi, mit zwölf Junior auf dem Hof, im Walkjanker. Es war Zeit. Der Vater der Bäuerin hatte Namenstag, die gesamte, im näheren Umkreis ansässige Verwandtschaft kam bei ihm zusammen. Mit Ausnahmen. Vom Pacherhof fehlte Rosa, das große Dirndl, zur Zeit in einer Kinderklinik in der Stadt beschäftigt, und Berni, der Senior des Nachwuchses. Er nahm an einem Fußballspiel teil und würde rechtzeitig zum Stalldienst zurück sein, damit die Eltern beim Großvater bleiben konnten.
„Was machst jetzt? Gehst zu den Waldrandscheißer?“ Erklärend deutete Alois mit einer Kopfbewegung zum Wald. „So heißen die Sonntagsausflügler bei uns. Man versteht ja, daß sie rauswollen aus ihre Betonsilos...“
Lukas hörte nicht mehr zu. Eine Verbindung von Waldrandscheißern zum Ziehbrunnen beschäftigte ihn. „Weißt, was ich brauch’, ein altes Klohäusl, so eins mit Herz in der Tür.“
„Für’s Zu-Haus?“
„Für’n Ziehbrunnen.“
Das mußte der dem perplexen Pacherbauern erklären. Dann falle kein Dreck rein und er könne die Winde drinnen befestigen. Laut lachte die Familie und Alois lobte ihn mit dem alpenländischen Superlativ: „Ganz gut! Das Häusl kriegst von mir. Was vernünftig ist, braucht keiner sehen. Sonst kommt das Wasseramt und das Gesundheitsamt und am End’ mußt den Brunnen zuschütten. Die sind da sehr streng.“ Und mit einem Kopfschütteln wiederholte er noch einmal genüßlich „Klohäusl für’n Ziehbrunnen!“
Der Wagen fuhr weg.
Hätt’ ich nur das Fahrrad mitgenommen!
Lukas begab sich zurück auf den Feldweg, der in umweltfreundlichem Abstand am Pacherhof vorbei zum Wald führte. Noch einmal zurückgehen wollte er nicht. Die Sonne schien, als habe sie einen jüngeren Freund, dem es gelte rüstiges Feuer vorzugaukeln. Vor dem Wald bog der Weg in Richtung zum Dorf rechtwinklig ab. Am Saum stand im Schatten der Bäume Wagen hinter Wagen.
Ein Wort aus der Zeitung
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