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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Davon war er überzeugt. Die Aura kann nicht lügen. Was einer denkt, wie er ist, was er vorhat, verrät seine Ausstrahlung dem Sensitiven, oft schon zu einem Zeitpunkt, da es dem Betreffenden selbst noch nicht bewußt ist.
    Es kommt etwas auf mich zu!
    Die Gewißheit wurzelte in ihm, wie ein Eckzähn, und es überraschte ihn daher nicht, als das Gegenteil eintrat, nämlich etwas wegblieb — der Luggi.
    Im Dorf wußte man Näheres. „Den hat’s wieder derwischt“, stellte Maxi fest. „Niemand weiß, wo er ist. Brauchst mi?“
    Nun machte sich Lukas doch Vorwürfe, und er verschmähte die angebotene Hilfe, weil sein Bewußtsein nicht ahnte, daß noch mehr kommen würde. Solche Übermittlungsschwierigkeiten innerhalb des Ich kennzeichnen den langwierigen Lernprozeß auf diesem ungriffigen Gebiet.
    Als am Nachmittag ein Kleinlastwagen beim Zu-Haus hielt, war er wiederum nicht erstaunt, sondern eilte freudig hinaus. „Grüß Gott, Uli- Sie sind ein gutes Medium! Am Sonntag hab ich intensiv an Sie gedacht?“
    „Ich bin Geschäftsmann, Grüß Gott.“ Der bärtige Antiquitätentandler vom Riedhof schaute über den Brillenrand. „Da hab ich gedacht, ich bring Ihnen mal Ihre Bank und den Tisch.“
    Ohne ein weiteres Wort der Verständigung trugen sie die Stücke ins Zu-Haus, an den einzig richtigen Platz. Lukas setzte sich sofort. Nach Haltung und Schritt einem kennerischen Museumsbesucher vergleichbar, durchmaß der junge Mann in zu engen Knitterhosen und zu weitem Pullover den Raum. Schließlich ermunterte er den Kunden mit Lob. „Sauberer Rohbau! Sehr gut. Das kann ein Schmuckstück werden. Da darf aber nix Neues rein.“
    Gleichsam in geschmackliche Erwägungen vertieft, nahm er mit dem Zollstock Maß, erkundigte sich nach der Fernsehbäuerin, die länger da sei, was man so höre, nach dem Eindruck von Donickes Hof, nach der Gura und murmelte etwas von alten, holzgenagelten Dielen, die eigentlich passen müßten, breit und sehr warm im Ton. Übrigens — zu einer Zwischenfrage ließ er es nicht kommen, steigerte vielmehr die Neugier, indem er das Thema wechselte — , übrigens, was die Fernsehbäuerin angehe, da könne er froh sein, daß die einen Freund dabeihabe, sonst würden die Leute denken, er wäre derjenige welcher...
    Hier ließ er eine Antwortlücke und vermaß das Loch für die Tür; der Hofhüter erklärte sich an Tratsch uninteressiert.
    „Sagen’s das nicht!“ widersprach Uli. „Mit der könnten Sie sich schaden. Die Fernsehbäuerin gilt als Kampfhenne, aber einen gewissen Mister Mountdorn, den mögen’s . Dafür hat auch der Pacher gesorgt. Was der Nachbar sagt, ist hier sehr wichtig!“
    Unter der Sympathie schwand ein Mißverständnis. Moralisch war das also nicht gemeint, wär auch noch schöner. Doch Ulis Miene kündigte an, daß es ganz so einfach nun auch wieder nicht sei. „Da kennend unsern Pfarrer schlecht. Zwei Nichtverheiratete auf einem Hof — das würde er auf die Dauer nicht gern sehen. In einem Siedlungshaus wären ihm Ausschweifungen wurscht, aber auf den Höfen, da soll Ordnung herrschen.“
    Den Blick steil nach oben gerichtet, wie im Laienspiel der Apostel mit Brille, der seinen Herrn anfleht, stand der Bärtige für Sekunden reglos, stieg dann auf die Leiter, maß die Höhe aus, das Loch in der Decke und kam strahlend wieder herunter, als habe der Herr ihm ein Zeichen gegeben. „Genau!“
    Erst die Rückfrage entlockte ihm sein Geheimnis: Er besaß eine alte Treppe, aus einem abgerissenen Hof, und die müßte passen.
    Lukas sah den Raum mit breiten Holzdielen ausgelegt, darauf die Treppe. „Ich glaub’s Ihnen. Aber es ist nicht mein Haus“, wehrte er sich und wußte nicht genau wogegen.
    „Das wär eine Überraschung!“ Apostolisches Grinsen füllte den Rohbau. „Was meinen Sie, wie die schauen würden! Die sind doch beide ganz verrückt nach alten Sachen. Holz mit Schicksal! — sagt die Gura immer. Aber das wissen Sie ja so gut wie ich.“
    Die Szene schlug ins Volksstück um: Der Bauer sitzt auf der Eckbank und trotzt. „Warten wir bis sie zurückkommen!“ Plötzlich wackelte die Nickelbrille, so entschieden schüttelte Uli den Kopf. „Das kann ich als Geschäftsmann nicht. Womöglich bleib ich drauf sitzen. Treppen sind keine Stühle.“ Ein beschwichtigendes Wort schien angebracht. Was er bis jetzt gemacht habe, sei Überraschung genug.
    „Da wär ich mir nicht so sicher, Mister Mountdorn. Ein Loch in der Decke und zwei in der Wand — wie sieht das

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