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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Unabhängigkeit und hätten ihre eigenen Ansichten. Auch über Partnerschaft. Junge Paare würden einander, wenn sie vor den Traualtar treten, meist sehr viel besser kennen, als ihre Eltern beim gleichen Anlaß, und diese sollten darüber nachdenken, woran es wohl liege, daß die Jugend nicht mehr in dem Maße auf sie höre, wie sie sich das wünschten. Ob nicht vielleicht Profitdenken die beklagte Kluft geschaffen habe und ob die Kinder nicht gut daran täten, den Wünschen ihrer Eltern nicht zu folgen? Ein Raunen wurde laut.
    „Die Eltern von ihm haben z’erst net wolln!“ flüsterte Frau Schmidhuber.
    Die Kinder — fuhr der Pfarrer fort — würden in eine Zeit hineinwachsen, die andere Ziele und Nöte habe . Wenn sie diesen Weg gemeinsam gehen wollten, nicht als Wohngemeinschaft oder wirtschaftliche Versorgungsgruppe, sondern vor Gott als Mann und Frau, habe niemand das Recht, sie dafür zu tadeln. Da möge jeder zuerst vor der eigenen Tür kehren...
    Wieder schlug die Gemeinde an.
    „Unser Pfarrer, — da wirst schau’n!“ hatte Alois vor einer Woche beim Kaffee bemerkt, als er Lukas mit der Einladung zur Hochzeit überraschte. Das hatte er gemeint. Vielleicht auch ein bißchen nachgeholfen. Jedenfalls engagierter als der Hofhüter dachte.
    Das Anstecken der Ringe verfolgte Frau Schmidhuber auf Zehenspitzen. „Jetzt sind’s verheirat’. Mei, gell wie’s halt so geht.“
    Dieser Philosophie stimmte Luggi voll zu. „Das ist der Lauf der Welt.“ Und sparsam, nur mit einer Gesichtshälfte, lächelte er zu ihr hinunter.
    Fußballer im Trikot vom Club des Bräutigams flankierten den Auszug aus der Kirche. Mit Blasmusik ging’s zum Festesten beim Unterwirt. Lukas war Frau Schmidhuber entwischt und sah sich den Tausendfüßler über die Kirchhofmauer an, wo er auf einer Grabumrandung stand, um über die Mauer zu ragen. Maxi und Luggi bildeten wieder den Schluß. Dahinter, mit größerem Abstand, in ein gestenreiches Gespräch vertieft, der Herr Pfarrer und Tom, der Schreiner.
    Fortschrittliches Gespann! freute sich der Männchenmaler. Will er ihn zur Heirat überreden, damit Ordnung herrscht auf dem Riedhof? Die Tüchtigen. Und Geschäftstüchtigen. Sind Aussteiger nicht eigentlich Unternehmer, die sich um die Lehrzeit drücken und gleich oben anfangen?
    Vor dem Wirtshaus, trachtenbunt, wie Statisten für Touristen, drängten sich die Gäste auf dem Gerüst fürs Hochzeitsfoto. Nur die nächsten Verwandten saßen, in der ersten Reihe zu beiden Seiten des Brautpaars; im Abseits der Herr Pfarrer als Rechtsaußen, links neben dem Gerüst bei den Dirndln aus dem Dorf der Nachbar auf Zeit — dem Alois zuliebe. An seiner Seite Frau Schmidhuber, ihre Angela vor beiden in der Mitte.
    Soll wohl nach gemeinsamem Kind aussehen? Nicht schlecht macht sie das, die Witwe. Trumpft mit dem Fremden auf gegen die Saubärn...!
    „Und jetzt holt’s eure G’schenke! Hoffentlich habt’s was G’scheits mitbracht“, rief der Hochzeitslader und Lukas entwischte. Autotüren und Kofferraumdeckel klappten. Von draußen bis hinein in den Saal staute sich die Gratulantenschlange, zwei Dirndln hatten genügend Zeit, jedem Gast ein Schleiferl anzustecken.
    „Grüß Gott, Herr Mountdorn, Sie kriegen auch eins!“
    Drinnen in Hufeisenform die festlich geschmückte Tafel, gegenüber auf der kleinen Bühne spielte die Blaskapelle, davor nahm das Hochzeitspaar die zum Teil sperrigen Geschenke entgegen.
    „Sie schenken auch Gläser, Herr Dornberg. Ein Mann, der denkt!“ Frau Schmidhuber hatte ihn wiedergefunden und schaute offenbar durch den Pappkarton. Um Daniela und Renate angemessen zu vertreten, hatte er je ein halbes Dutzend Weißwein-, Rotwein-, Bier-, Wasser- und Schnapsgläser besorgt. Ohne Preisaufkleber, diesmal jedoch die Firmen- und Qualitätssiegel belassen.
    Woher wußte sie? Hatte sich der ländliche Nachrichtendienst zur Indiskretion verstiegen?
    Angela hielt das Schmidhuber-Präsent neben seines. „Das gleiche Papier!“ sagte sie, wie eine Schülerin, die dem Lehrer gefallen will.
    Zu der Überlegung, daß zwölf gleiche Gläser besser seien als sechs, ließ ihn die Witwe nicht kommen.
    „Ich hab Cognacschwenker mit Jagdmotiv und sehr schöne Untersetzer mit Enzian und Edelweiß in Plastik eingegossen, spülmaschinenfest.“
    Plötzlich sah der Männchenmaler durch alle Verpackungen hindurch, sah Unmengen byzantinisch-üppig verzierter Gebrauchs- und Herumstehgegenstände, die bei solchen Anlässen über den noch

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