Geständnisse eines graumelierten Herren
dann ist den beiden, die ihn fröhlich-gerührt empfingen, plötzlich ein kleiner Hund entgegengelaufen, eine sensible Triebverirrung, halb Pudel, halb Dackel, hinten höher als vorn und im Augenaufschlag aus sanftem Clownsgesicht das gesamte Leid der Welt.
Sein Geschenk, im Tierasyl erstanden, weil auf den Hof ein Hund gehört, bekam von Daniela spontan einen Namen: bella. Nicht akustisch gemeint, sondern der Augen wegen. Sie hatten einen Hund gehabt, sich nach dessen Tod aber nicht mehr zu einem andern entschließen können. Er mußte ihnen zulaufen. Bella hatte das getan und gehörte augenblicklich dazu. Der Status des Hofhüters und Ausbauers blieb quo. Man begnügte sich mit überschwenglichem Dank für seinen Einfall.
Am Tageslauf ändert sich durch Bella nur in der Küche ein wenig. Dort hat sie einen Platz für ihren Freßnapf und gibt Hunger bekannt. Wo sie sich sonst aufhält, wem sie die Ehre ihrer Gegenwart zuteilt, bestimmt sie selbst. Was sie anlockt, was sie vertreibt, bleibt anfangs unbeachtet, so sehr die Hofbewohner sie einbeziehen, liebevoll mit ihr sprechen, wie mit einem Kleinkind. Als Tierpersönlichkeit respektiert wird sie erst, nachdem ihnen bestimmte Reaktionen bewußtgeworden sind: Telefon und Frau Schmidhuber werden von Bella gemieden oder notfalls bebellt. Lukas fällt es zuerst auf. Ihn hat sie als Leittier angenommen, wackelt mit, wenn er an die Arbeit geht und schnüffelt im Zu-Haus herum, wie ein Kind im Spielwarenladen.
Da holt Daniela den völlig Verdreckten vom Ofensetzen weg. Georgia möchte ihn sprechen. Bella wackelt mit hinüber zum Telefon. Was soll er sagen, wo er einfach weggefahren ist? Komplikationen liegen in der Luft, wie immer er’s dreht. Die Version mit dem Hafner, den er selbst vor Wochen bestellt und der ausgerechnet jetzt überraschend Zeit habe, mit seinem Konzept ohne ihn aber nicht zurecht komme, leuchtet ihr ein. Georgia schätzt ja sein Verantwortungsbewußtsein, auch wenn es für sie mit Nachteilen verbunden ist. Oder deswegen?
Als sie gerade abschmollt und er ihre Einsicht lobt, dabei sein Bedauern über den dummen Zufall einflicht, wendet sich Bella, die zu ihm aufgesehen hat, ab und verläßt die Stube.
Bei Frau Schmidhuber war sie anfangs unschlüssig, hat hinten gewedelt und vorn gebellt. Das mochte mit Daniela zusammenhängen, die beim Saubermachen einen Trick anwandte. Weil die Putzstunde in eine Sprechstunde umzuschlagen drohte, mit allen Sorgen von Angela bis Luggi, erklärte sie, astrologisch gesehen, seien seelische Schwankungen am besten durch körperliche Arbeit zu stabilisieren, durch harte körperliche Arbeit. Darauf fegte die fesche Witwe nicht nur wie besessen Staub, sondern auch wie besessen durch den Hof, scheuerte bis ihre Nase glänzte und verstellte Gegenstände im Eilschritt. Kein Wunder, wenn da ein Hund laufen geht.
„Man muß nachher etwas länger lüften, aber der Hof glänzt wie nie zuvor.“ Auch bei dieser Schlußfolgerung Danielas wandte sich Bella ab und wackelte davon.
Der Kachelofen durch zwei Geschosse wird eine teure Sache, gesteht der Hafner, ein zaundürrer verschmitzter Mann, in Genauigkeit und Handfertigkeit aus einer anderen Generation. Die Fenster für oben seien schon bestellt und bezahlt, weiß er über den ländlichen Nachrichtendienst. Tom habe sie vom Werk besorgt und setze nur Sprossen ein. Renate will nicht, daß Lukas noch einmal in die Tasche greift. Über seine Schenkung haben sie nicht mehr gesprochen, sitzen auch abends nicht vor dem Kamin, wie er sich das vorgestellt hat. Das Zu-Haus ist Baustelle. Drüben im Hof, auf dem Kanapee in der Stube sitzen sie, der Kachelofen strahlt Wärme, Bella liegt quer vor dem Fernsehapparat. Daniela hat eingeschaltet, Martinas Gesprächsrunde mit Menschen, die aufs Land gezogen sind, ist angekündigt. Im Augenblick läuft noch ein alter Hollywoodfilm.
Weil die weltberühmte Diva in der Synchronisation leicht sächselt, hat Lukas, empfindlich gegen unechte Töne, den Ton abgedreht. Das gibt dem Opus eine neue Dimension. Durch kein Geräusch abgelenkt, sehen die drei deutlicher, unbarmherziger.
Wie dragonerhaft die Diva herumschwebt, auf ihren großen Füßen! Wie sie über eine Nachricht erschrickt, noch bevor der Partner den Mund aufmacht! Wie sie sich räkelt, wenn der Mann im Frack mit ihr spricht! Das soll schelmisch sein und wirkt handfest irre.
Daniela, Lukas und Renate lachen lauthals, erfinden Texte zu dem darstellerischen Schwulst von
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