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Geständnisse eines graumelierten Herren

Geständnisse eines graumelierten Herren

Titel: Geständnisse eines graumelierten Herren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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und sich, von Bella diesmal stumm, wenn auch mit beleidigtem Blick geduldet, aufs Bett gesetzt. Renate war von einem Anruf Detlefs geweckt worden. Er werde herauskommen und sie möge ihn zum Messnerhof begleiten. Hier begannen ihre Komplikationen, denn das wollte sie nicht. Sie wollte Detlef überhaupt nicht sehen.
    „Es hat keinen Sinn mehr! „ hatte sie geklagt und den Kopf auf Lukas Brustkasten gelegt, „ich möchte allein leben.“
    Väterlich hatte er ihr übers Haar gestrichen und dabei bemerkt, wie ein Gedanke völlig anderer Art, der ihm schon bei Erwachen zugeflogen war, endgültig von ihm Besitz ergriff: Jetzt einen Tee! Mit zwei Löffel Zucker!
    Mit der Erfüllung dieses Wunsches begann der Tag. Wie immer bereitete Lukas den Frühstückstee selbst, tischte auf und hängte das Telefon aus. Wie immer sprach er über das Nächstliegende, was zu besorgen, was zu erledigen sei. Renate war wortkarg und aß wenig. Bella wurde von der sonnig aufgelegten Daniela erzogen, bei den Mahlzeiten nicht zu betteln. Ein full time job, wie sie meinte. Lukas, seit seiner Rückkehr gegen Amerikanismen in der Umgangssprache zunehmend empfindlich, beanstandete die Formulierung, das Überhandnehmen der Gastarbeiter im deutschen Wörterbuch, wie er sich ausdrückte. Daniela nahm’s heiter. Er schlage mit seiner Vorliebe für bündige Formulierungen dem verstorbenen Freund Hubert nach, den sie am Stammtisch im späten schoppen schlicht Aphorismenschleuder genannt hatten.
    Renate, damals nicht in der Clique, sagte überhaupt nichts mehr und verließ alsbald den Tisch. Da erschien Alois mit seinem Wagen vor dem Zu-Haus und so blieb Daniela allein zurück. Der Pacher sprach von einer günstigen Einkaufsgelegenheit, die er Lukas zeigen wollte. Da der Hafner gerade keine Hilfe brauchte, stieg Lukas ein und fuhr mit. Unterwegs brachte er das Gespräch auf die Fremdwörterschwemme. Die falle einem, der aus der angelsächsischen Welt kommt, auf. Hier merke es offenbar niemand.
    Alois gab ihm recht und war um Beispiele nicht verlegen. In der Kreisstadt, wohin sie fuhren, gebe es eine fitness-ranch, ein garden-center, eine sound-city, den Damenfrisiersalon edy’s hair styling und einen sex-shop.
    Bis dahin kamen sie indes nicht. Am Rand der Kreisstadt unterhielt ein Elektrokonzern ein Zweigwerk. Dorthin fuhr der Pacher.
    Im Lager für sogenannte Dritte Wahl, Neuwaren mit kleinen Schönheitsfehlern, in ihrer Funktion aber pfenningguat, wie er versicherte, und zu beträchtlich gesenkten Preisen, suchte er eine Spülmaschine, um die Pacherbäuerin zu entlasten. Dabei begegneten sie einem Menschentyp, den Lukas für ausgestorben gehalten hatte, zumindest in der ländlichen Umgebung. Da saß hinter einem Schreibtisch, auf dem er nichts zu schreiben hatte, ein dicker Pensionsreifer und regte sich über jedes an ihn gerichtete Wort in Kasernenhoflautstärke auf, als habe er’s mit schwachsinnigen Rekruten zu tun. Witzigerweise ließ sein Satzbau geistiges Untersoll erkennen, wie auch die Musik, mit der er sich behämmerte, Gemeingefährliches zwischen Schunkeln und Westerwald. Seine Aufgabe sah er darin, die Kundschaft seine Macht fühlen zu lassen. Als Ausdruck persönlicher Herzensgüte mochte er wohl allenfalls noch die Preise gelten lassen, als habe er sie persönlich gesenkt. Während Alois mit Zollstock auf Suche ging, nutzte Lukas die Zeit, sich nach einem Kühlschrank fürs Zu-Haus umzusehen, fand sich aber nicht sofort zurecht. Mit seiner Frage nach Prospekten wollte der Lagerleiter gerade nicht behelligt werden und brüllte: „Da vorn! Machen’s halt die Augen auf.“
    „Nicht diesen Ton!“ Lukas’ Antwort im gleichen Phonbereich ließ Kunden verdutzt die Köpfe heben, als sei Zivilcourage im Lande zur Zeit Mangelware.
    „Recht hast!“ flüsterte Alois. „Nix g’fallen lassn.“
    Mit dem Wort „Nazihausmeister“ brachte Lukas seinen Eindruck auf den kürzesten Nenner. Beide hatten sich abgewandt, argwöhnisch beobachtet fanden sie, was sie suchten, zahlten an der Kasse und brachten die Ware zum Wagen. Beim Abtransport bestätigte der Schreibtischmensch den gewonnenen Eindruck: Er hielt ihnen die Tür auf und machte ein Scherzchen, weil man ja nie wissen kann, ob einer, der so auftritt, nicht einen Direktor kennt.
    „Da hast mich jetzt auf was ‘bracht!“ sagte Alois unterwegs. „Ich mein, ich kenn’ noch mehr Nazihausmeister. Aber wir haben unser Sach’. Für mich gibt’s nur fünf G’schäfte: Abholmarkt, Dritte

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