Geständnisse eines graumelierten Herren
Gartenlaubenkitsch bis zu spätbürgerlichen Soziologiechinesisch.
„Das nenn’ ich kreativ fernsehen!“ lobt er und Bella wedelt Zustimmung oder freut sich. Alle vergnügt und sie in der Mitte.
Dann ist es soweit. Mit Knopfdruck holt sich Daniela ihr Ersatzkind in die Stube. Martina ist überaus da, routinierter Liebreiz strömt aus der Röhre. Nahezu ohne Atempause tönt die geschulte Stimme. Die Einführung ins Thema Landleben endet mit Vorstellung der Gäste im Studio. Plötzlich ist Martina weg. Bei jedem Teilnehmer wird die Gesprächsrunde von einer Filmeinblendung unterbrochen, die den ländlichen Besitz des Betreffenden zeigt, von Martina, versteht sich, kommentiert. Dann kommt sie wieder ins Bild, fragt die Leute geschickt, dabei behutsam, nicht ungeduldig und nicht hämisch. Positives zum Landleben möchte sie hören und hörte es. Nur die beiden alten Damen vom Michlhof klagen ungeschickterweise über schlechte Nachbarschaft. Sie ahnen nicht, daß sie mit ihrem bitteren Unterton vor der Kamera keine gewinnende Ausstrahlung haben. Daran ändert auch der Film vom bilderbuchschönen Hof mit allen Tieren nichts.
Martina merkt es. Sie hat die Daumen angewinkelt und macht aus dem schlechten Kontakt kurzerhand ein Generationsproblem, als wären sämtliche Nachbarn frischverheiratete Jungbauern. Da sie jeden Widerspruch abwürgt, wirken die beiden alten Damen plötzlich sympathisch.
„Beachtlich!“ lobt Lukas, „alle sind nett und sie hat recht.“
„Sie hat immer recht!“ Renates Ton bedroht die Harmonie. Lukas lenkt ab. Wie es wäre, wenn er den beiden Alten klarmachte, daß sie Martina zu größtem Dank verpflichtet sind, will er wissen. Daniela und Renate können sich einträchtig über ihn wundern. Wozu denn das? Und er kann mit unschuldiger Miene weiterfragen: „Hat der Michlhof nicht auch ein Zu-Haus?“
Während ein wortarmer Kleinhäusler an der Reihe ist, wettet er mit beiden — gegen seine Überzeugung —, daß Martina am Schluß der Sendung nicht Tschüß sagen wird. Und verliert die Kiste Wein.
Es war spät geworden. Daniela, die früher zu Bett zu gehen pflegt, sagt Tschüß, auch zu Bella, und mit Gefühl für das passende Wort zur rechten Zeit, schloß sich Renate an.
Oben knarzten Dielen, unten ging er mit dem Hund in geschäftlicher Angelegenheit vor die Tür. Ein eisiger Wind wehte beschleunigend. Der Hundekorb war noch nicht angeschafft und Bella von ihrem Leittier noch nicht abgenabelt, um freiwillig im Flez zu schlafen, wo sie nächtlichen Geräuschen besser nachgehen konnte. Sie lag auf einer Decke am Fußende des Doppelbetts im Stüberl. Gewissermaßen eine Etage höher entspannte sich Lukas mit tiefen Atemzügen. Über ihm knarzte wieder eine Diele. Automatisch fiel ihm das Zierholt-Nest ein, wenn Renate zu ihm schlich. Leis wurde die Tür geöffnet, im Bademantel kam sie herein.
„Nein!“ sagte er, „das ist ja wie vor zwanzig Jahren.“
Und er dreht sich zur Seite, als sei das hilfreich gegen Komplikationen, die jetzt unvermeidlich sind. Das weiß er. Und er weiß auch, daß er nichts dagegen tun wird.
Renate hat sich ausgezogen, die Decke zurückgeschlagen und einen Fuß schon im Bett, da schlägt Bella an, verteidigt ihr Leittier gegen den Überfall, der doch so lieb gemeint ist . Beschützer und Begehrende knien bei ihr, reden dämpfend-freundlich. Wenn er streicheln will, schnappt sie. Zur Gegenprobe streichelt er Renate — wieder schnappt sie, knurrt und bellt.
Lukas zieht sich ins Bett zurück, Renate bettet das Tier auf die Decke, redet weiter mit sanften Tönen, hebt langsam das Bein, da schnappt Bella nach ihrer Ferse und bellt darauf, als wär sie auf den Mann dressiert. Ihr Leittier ist sofort zur Stelle, stülpt die Bettdecke über die Geräuschquelle, Renate resigniert in ihren Bademantel.
„Was hat sie denn?“ Die ruhige Stimme schafft sofort Ruhe. Mit Mona-Lisa-Lächeln in den Mundwinkeln steht Daniela unter dem Türstock. Das Bild belustigt den Männchenmaler. „Frag’ mich was Leichteres. Als Geschenk war Bella leise gemeint. Wenn wir ihre Daten hätten, könntest du das Horoskop stellen. Vielleicht muß sie noch mal raus.“
Und um sich einen guten Abgang zu verschaffen, steigt er in seine Gummistiefel, zieht den Mantel über den Schlafanzug und geht mit der freudig wedelnden Bella hinaus in die stürmische Nacht. Es riecht nach Schnee.
Anderntags war die Landschaft geweißelt. In aller Frühe hatte ihn Langschläferin Renate geweckt
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