Gestern fängt das Leben an
Kleiderschrank gründlich zu entrümpeln. Verloren hocke ich in einem Meer aus nicht zusammenpassenden, zerknitterten Klamotten, lose herumfliegenden Schuhen und seit langem ausrangierten Mänteln, Schals und Handtaschen.
Den Schrank entrümpeln heißt die Seele entrümpeln
, sage ich mir an diesem regnerischen Samstagnachmittag (ein Zitat aus der
Marie Claire
!
).
Seit unserer Rückkehr aus Miami vor zwei Wochen hat uns ein wahrer Hochzeitstornado erfasst, in dessen Mitte Vivian herumwirbelt.
Donnerstag, 14 : 00 Uhr (ich bin gerade auf dem Weg in das entscheidende Meeting mit Coke zur Winterkampagne): «Jillian, meine Liebe, ich möchte nur kurz wissen, wann ihr endlich einen Termin festlegt. Die Uhr tickt! Wenn wir den Country Club jetzt nicht buchen, bekommen wir ihn nie! Was hältst du vom 9. April?»
Montag, 08 : 47 Uhr (ich steige gerade aus der U-Bahn in der Nähe der Agentur): «Liebes, ich bin’s, Vivian. Wenn es eine Frühlingshochzeit wird, sollten wir uns für lachsfarbene Duftrosen und weiße Lilien entscheiden. Das wirkt ganz entzückend!»
Freitag, 21 : 29 Uhr (ich verlasse endlich das Büro und treffe mich mit Megan und einigen alten Freundinnen vom College auf ein paar schwerverdiente Drinks): «Halli, hallo, meine Liebe, es ist zwingend notwendig, schon bald einenTermin beim Brautausstatter zu machen! Wir sind jetzt schon ganz schön knapp dran, wenn man in Betracht zieht, dass du mindestens sechs Monate vor deinem großen Tag dein Kleid haben solltest!»
Bei Henry und mir war das völlig anders gelaufen. Nachdem wir uns verlobt hatten, riefen wir meinen Vater an und teilten ihm die Neuigkeiten mit. Anschließend riefen wir Henrys Eltern an und taten das Gleiche. Wir kamen überein, dass wir in kleinem, intimem Rahmen feiern wollten, unaufgeregt und entspannt.
«Mehr Freudenfest als Zirkusveranstaltung», sagte Henry damals, und ich nickte zustimmend. Also blätterte ich in meiner Freizeit ein paar Brautmagazine durch, und wir einigten uns auf schlichten Blumenschmuck. Außerdem bat ich Ainsley und Megan, sich mit mir ein paar Kleider anzusehen. Aber im Wesentlichen überließ ich den Feinschliff meinem Vater und Linda. Es erschien alles so unnötig. Die meisten Fragen waren irrelevant: Jasmin oder Gipskraut? Buttercreme oder Fondant? Hühnchen oder Rindfleisch? Als ob jemals jemand im Rückblick auf eine Hochzeit gesagt hätte: «Nur gut, dass wir uns für die Torte mit der Kirsche in der Mitte entschieden haben, sonst wäre das Fest für alle ein Desaster geworden!» Nein. Und darin wurde ich durch Henrys vernunftbetonte Meinungen – seine Meinungen waren immer vernunftbetont! – auch nur bestärkt.
Während ich jetzt gerade knietief in einem Berg Jogginghosen stehe, die ich seit dem College nicht mehr anhatte, denke ich, dass es vielleicht doch eine Rolle spielt. Vielleicht färbt der Enthusiasmus, den man auf seine Hochzeitsvorbereitungen verwendet, auf den Ehealltag ab. Vielleichtwäre meine Beziehung mit Henry nicht so ins Schlingern geraten, hätte ich mich damals ein bisschen intensiver und ernsthafter auf die Hochzeit vorbereitet.
Und so willigte ich nach eingehender Analyse von Vivians unerbittlichen Anrufen der letzten Tage auf ihren Vorschlag ein. Ende des Monats würden wir uns treffen, um mit dem Hochzeitsplaner, den sie engagiert hatte, die Details zu besprechen.
Wie konnte ich jemals in so einem Chaos leben?,
frage ich mich, während ich mich in der Unordnung meines begehbaren Kleiderschranks im Kreis drehe.
Wie konnte ich Morgen für Morgen die Schranktür aufmachen, ohne dabei den Verstand zu verlieren?
Auf Zehenspitzen versuche ich, an ein paar zusammengeknüllte Pullover heranzukommen, deren Ärmel totengleich vom Regalbrett baumeln. Die Teile habe ich nicht mehr angezogen, seit ich mich von Jack getrennt habe. Ich erwische einen Ärmel und zerre daran. Plötzlich regnen zahlreiche Kleidungsstücke herab. Dann kippt das ganze Regal mit lautem Getöse um, und ich mache einen rettenden Satz rückwärts.
«Geht’s dir gut?», ruft Jack mir aus dem Wohnzimmer zu, wo er an dem Versuch sitzt, sein Manuskript wiederzubeleben.
«Ich lebe noch», rufe ich zurück.
«Hast du’s bald? Ich habe nämlich eine Überraschung für dich.»
«In ein paar Minuten», seufze ich und denke gleichzeitig, dass das hier länger dauern dürfte als ein paar Minuten. Wo ist mein Ratgeber
Leicht gemacht
mit all den perfekten Organisationstipps, wenn ich ihn
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