Gestern fängt das Leben an
zwinge mich zu einem Lächeln und versuche, einen düsteren Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen. Denn was mich am meisten erschreckt, ist nicht die äußere Ähnlichkeit zwischen meiner Mutter und mir oder die Tatsache, wie genau ich mich an jenen Tag im Garten erinnern kann. Nein, was mich wirklich fertigmacht, ist derliebevolle und gleichzeitig abgekämpfte Gesichtsausdruck meiner Mutter, den ich jetzt, Jahre später, erkenne, weil es haargenau der Ausdruck ist, den ich seit Katies Geburt trug wie eine Maske.
***
Jacks Überraschung für mich ist eine neue Couch!
Klar, nüchtern betrachtet ist das weder besonders romantisch noch etwas, worüber man als Frau so leicht in Entzücken gerät. Aber für ihn bedeutet es ein echtes Zugeständnis, und deswegen bedeutet es auch mir sehr viel.
«Mein Verlobungsgeschenk», sagt er stolz, als wir bei
ABC Homes
im ersten Stock stehen. Er macht eine ausladende Armbewegung. «Bedien dich. Du hast freie Wahl.»
Ich mache ein finsteres Gesicht und sehe ihn streng an. «Wo ist mein Freund? Der, der so an seiner alten, hässlichen Couch hing. Was hast du mit ihm gemacht?»
«Verlobter», korrigiert er mich.
«Wo ist mein Verlobter, und was hast du mit ihm gemacht?» Ich strahle ihn an und gebe ihm einen Kuss. Ich habe mich immer noch nicht ganz daran gewöhnt, dass wir verlobt sind.
«Ach, weißt du, jetzt wo wir heiraten, wird mir klar, dass ich mich endlich von meiner alten Couch aus Studentenzeiten verabschieden muss.»
Ich sehe ihn zweifelnd an.
«Na gut!» Er lacht. «Kann schon sein, dass Leigh die eine oder andere abfällige Bemerkung gemacht hat, nachdem sie neulich in unserer Wohnung war.»
Natürlich! Leigh steckt hinter alldem
, denke ich, sage aber nichts.
Stattdessen spaziere ich hinüber zu einem butterweichen, ledernen Zweisitzer und lasse mich hineinsinken. Jack macht den Mund auf, um seine Meinung kundzutun, aber bevor er etwas sagen kann, hebe ich streng den Zeigefinger.
«Ich bin dran!», erkläre ich.
Jack verzieht seinen Mund zu einem Lächeln und lässt sich stumm neben mir aufs Sofa plumpsen wie ein treuergebener Hund.
Wenn ich während meiner Ehe mit Henry irgendetwas gelernt habe, dann ist es die Kunst geschmackvoller Einrichtung.
Angestrengt sehe ich mich um. Ein sandfarbener Dreisitzer aus Nappaleder auf der anderen Seite des Ausstellungsraumes sieht nach dem richtigen Möbelstück aus, um unser Wohnzimmer aufzupeppen.
Ich nehme Jack an die Hand, und wir bahnen uns einen Weg durch Sofas, Sitzecken und Fernsehsessel. Wir wollen es uns gerade auf dem Objekt der Begierde gemütlich machen, als eine vertraute Gestalt unseren Weg kreuzt. Die schlaksige Figur, der lässige Gang … Ich würde ihn überall erkennen.
«Henry?», sage ich automatisch und bereue es sofort. Meine ungewaschenen Haare stecken unter einer Baseball-Kappe, und mein Sweatshirt riecht nach staubigem Kleiderschrank.
«Jill!», sagt er und strahlt. Auf seinem Gesicht macht sich Freude breit. Dann bemerkt er Jack und streckt die Hand aus. «Jack, stimmt’s?»
«Ja, richtig», antwortet Jack und erwidert den Händedruck, hat aber offensichtlich keinerlei Erinnerung an die kurze Begegnung auf dem Coke-Event.
Ehe ich die Zusammenhänge erklären kann, tritt mit geschmeidigen Bewegungen eine kleine Rothaarige an Henrys Seite und schiebt die Hand in seine hintere Hosentasche.
«He, du!», sagt sie, als wären wir gar nicht da – und als würde sie nicht gerade
meinem
Ehemann ihre miese kleine Hand auf den Hintern legen!
Henry räuspert sich. «Äh … Hey! Celeste, das ist Jill. Eine Freundin aus der Gegend.» Henry streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht und versucht vergebens, sie hinters Ohr zu stecken. «Und das ist Jack, ihr Freund.»
«Verlobter, genauer gesagt», sagt Jack. «Seit ein paar Wochen.»
«Gratuliere, ihr beiden!», quiekt Celeste, als würde sie uns seit Jahren kennen. «Wie aufregend! Wann ist denn der große Tag?»
«Äh, das steht noch nicht fest», murmle ich und sehe Henry verstohlen an. Er hat sein maskenhaftes Lächeln aufgesetzt, das ich von schrecklichen Abendeinladungen kenne – und das ich jetzt als Hinweis verstehe, unseren Aufbruch einzuleiten.
Wir haben dieses eisige Lächeln irgendwann sein «Ich wäre lieber auf direktem Weg zur Hölle als noch eine Sekunde hier»-Lächeln getauft. Damals waren wir gerade von einem fürchterlichen Abend bei den Hollands geflohen, die beide jeweils eine Affäre mit einem Kollegen hatten und
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