Gestern fängt das Leben an
ich definitiv nie unterschrieben. Ich meine, woher weißman, ob man sich überhaupt noch liebt? Oder ob es nicht nur noch Gewohnheit ist.» Nachdenklich kaut sie auf ihrer Lippe. «Und ich glaube, spätestens dann muss man etwas unternehmen. Von da an sind alle Richtungen offen.»
«Und du glaubst nicht, dass du eines Tages aufwachst und von Bart dasselbe denkst?», will ich wissen. «Vielleicht bist du dann auch von ihm enttäuscht.»
«Er könnte mich gar nicht in denselben Dingen enttäuschen», sagt sie mit pathetischer Stimme.
«Na ja, dann vielleicht in anderen», erwidere ich und fingere an meinem Verlobungsring herum, bis mir die Bedeutung der Geste bewusst wird und ich abrupt damit aufhöre.
«Ja, vielleicht», sagt sie resigniert. «Aber bei Art weiß ich schon, dass er mich enttäuscht hat. Bei Bart besteht dagegen zumindest noch die Möglichkeit, dass er es nicht tun wird.» Sie erhebt sich schwerfällig. «Ich wünsche mir nur manchmal einfach … Ach, egal. Es ist eh nur ein Gedankenspiel. Nichts, das ich sofort in die Tat umsetzen werde.»
«Sei vorsichtig mit deinen Wünschen», rufe ich ihr hinterher. Und als sie den Kopf nochmal zur Tür hereinsteckt, füge ich hinzu: «Man kann nie wissen, was am Ende dabei herauskommt!»
Sie nickt und eilt davon.
Ein letztes Mal greife ich zum Hörer, um endlich meine Mutter anzurufen. Ich versuche, dabei nicht an Jack zu denken. Oder an Henry. Oder an die Enttäuschungen, die meine Wünsche mir bereiten könnten.
***
Mir wäre fast das Herz aus der Brust gesprungen!
In einem gestelzten Telefonat, das keine zwei Minuten gedauert hat, haben meine Mutter und ich uns für Samstagmittag in einem Café auf der 18. Straße verabredet. Also muss ich meinen Termin mit Leigh, Meg und Ainsley bei
Saks
absagen, wo wir nach Kleidern für die Brautjungfern schauen wollten. Vivian wird das sicher gar nicht lustig finden.
***
«Kannst du deiner Mutter nicht erklären, warum ich abgesagt habe?», frage ich Jack Freitagabend, nachdem ich ihre dritte Nachricht in zwei Tagen auf dem AB abgehört habe.
Anstatt mit Jacks Kollegen Austin und dessen Frau zu Abend zu essen, wie ursprünglich geplant, teilen wir uns zu Hause was vom Chinesen. Ich fühle mich zu Martini und Smalltalk nicht in der Lage. Wie so viele andere Dinge aus meinem alten Leben hatte ich auch vergessen, dass selbst der Spaß am vielen Ausgehen und dem ständigen Freizeitstress seine Grenzen hat.
«Wieso rufst du sie nicht selbst nochmal an?», fragt er. «Ich weiß, dass sie dir gerne näherkommen würde.»
Mir ist klar, dass Jack nur helfen will, aber ich würde ihn am liebsten erdrosseln. Die Angst vor dem morgigen Mittagessen mit meiner Mutter liegt mir schwer im Magen, und ich bin ungenießbar.
«Weil ich momentan Wichtigeres zu tun habe», speie ich ihm so heftig entgegen, dass mir ein Stückchen Brokkoli aus dem Mund fliegt, «als meine Befürchtungen undUnsicherheiten ausgerechnet vor deiner Mutter auszubreiten!»
«Du wärst vielleicht überrascht», sagt Jack, ohne meine steigende Panik auch nur ansatzweise zu bemerken. «Sie ist ziemlich gut in solchen Dingen.»
«Verdammt nochmal, Jack!» Ich knalle die Essstäbchen so heftig hin, dass eines davon im hohen Bogen vom Tisch fliegt. «Ich weiß, dass deine Mutter deine persönliche Therapeutin ist. Aber ich möchte sie nicht auch noch zu meiner machen. Ich will ihr einfach nicht erklären müssen, weshalb ich morgen keine blöden Brautjungfernkleider kaufen gehen kann!»
Sein Gesicht verfinstert sich. «Beruhige dich wieder, Jill. War nur nett gemeint», sagt er gutmütig.
***
Es war vermutlich wirklich nur nett gemeint
, denke ich, als ich am nächsten Mittag aus der U-Bahn -Station nach oben steige und in Richtung Café laufe.
Wahrscheinlich dachte Jack wirklich, seine Mutter könnte mir helfen und die Dinge regeln, so wie sie immer seine Dinge regelt.
Ich schnaube verächtlich und weiß nicht, wen ich mehr bedauern soll: mich, Jack oder Vivian.
Schnell, viel zu schnell, stehe ich vor der kleinen Konditorei, die ich am Telefon vorgeschlagen hatte. Neutraler Boden ist gut, rede ich mir ein, als sei das Café die Schweiz und meine Mutter und ich verfeindete Kriegsherren.
Als ich das Café betrete, liegt der Duft nach gebackener Butter in der Luft. Im Hintergrund läuft klassische Musik, die mir seltsam bekannt vorkommt. Als Katie noch einBaby war, habe ich ihr jeden einzelnen verdammten Komponisten vorgespielt. Aber ich kann das
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