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Gestern fängt das Leben an

Gestern fängt das Leben an

Titel: Gestern fängt das Leben an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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Spiegel.
    Auch jenes Kleid war, wie Ainsley und Megan es heute ausgedrückt haben, perfekt. Die schmalen Träger umschmeichelten mein Schlüsselbein, und die Seide schmiegte sich sanft und elegant an meinen Körper. Ich sah mich an und wusste es. Ich wusste es einfach. Im Rückblick betrachtet, war es eines der wenigen Dinge in den darauffolgenden Jahren meiner Ehe, von denen ich felsenfest überzeugt war.
    Und jetzt stehe ich hier bei Vera Wang vor dem Spiegel, und wie es scheint, sind es diesmal die anderen, die hundertprozentig sicher sind. Sie sind überzeugt davon, dass dieses perlenbestickte, schulterfreie und majestätisch geknöpfte Kleid das richtige ist, ein Kleid, das so entschieden anders ist als jenes, in dem ich meiner anderen großen Liebe die Treue gelobte.
    Also drehe ich mich zu Deirdra um und teile ihr mit, dass ich es nehme. Beim ersten Mal hatte mein Instinkt mich betrogen, und ich empfinde es als Erleichterung, die Entscheidung diesmal anderen zu überlassen.
    ***
    Dreimal hat meine Mutter bei mir in der Agentur angerufen, aber ich habe nicht zurückgerufen. Ich habe versucht, mir bei Jack Rat zu holen, aber er ist mir keine große Hilfe gewesen.
    «Glaubst du, ich mache einen Fehler?», hatte ich ihn vor zwei Tagen abends gefragt. Jack saß vor dem Laptop am Schreibtisch und kämpfte mit seinem Manuskript. Ich glaube, er war erleichtert, als ich hereinkam und ihn ablenkte.
    «Keine Ahnung», sagte er und schwang auf dem Stuhl herum. Ich warf mich aufs Sofa und zog mir ein Kissen über den Kopf.
    «Ich brauche jemanden, der mir sagt, was ich jetzt tun soll», jammerte ich in das Kissen hinein.
    Sag mir, was ich tun soll, Jack!
, flehte ich in Gedanken. Gleichzeitig war ich erstaunt über den Gedanken, weil ich Henry immer Vorwürfe gemacht habe, wenn er genau das versucht hat.
    «Hm, also, das ist eine ziemlich vertrackte Situation, finde ich», antwortete Jack. «Diese ganze Geschwisterkiste   …»
    «Genau!» Ich setzte mich auf. «Ich meine, sie hat ein anderes Kind – ich habe eine Schwester! Erwartet sie jetzt ernsthaft von mir, dass ich das einfach so schlucke?»
    «Na ja, fairerweise muss man schon sagen, dass sie zumindest ehrlich war. Was hätte sie sonst tun sollen?»
    «Hm, keine Ahnung. Es mir sagen?»
    «Aber das hat sie doch versucht», widersprach er mir. «Vielleicht kann man die Sache nicht nur schwarzweiß betrachten. Vielleicht solltet ihr nochmal miteinander sprechen.»
    «Schön», erwiderte ich. «Du würdest sie also anrufen?»
    Jack ließ sich neben mir aufs Sofa fallen, küsste mich anstatt einer Antwort auf den Ellenbogen und arbeitete sich dann langsam bis zu meinem Hals hoch   … Tja, und weiter kamen wir mit dem Thema nicht.
    Später, als Jack eingeschlafen war, ging mir noch einmal sein Kommentar durch den Kopf.
Schwarzweiß   …
Plötzlich erinnerte ich mich daran, wie ich erst vor kurzem wieder bei ihm gelandet war. Ich hatte mich erschöpft und einsam gefühlt und völlig frustriert von meinem öden, festgefahrenen Leben. Wahrscheinlich hatte ich mich wirklich wortwörtlich herausgewünscht. Denn ich sah die Welt nur noch in Schwarzweiß. Vielleicht war also tatsächlich etwas daran. Vielleicht kann man die Dinge wirklich nicht nur schwarzweiß betrachten.
    Das Klingeln des Telefons reißt mich aus meinen Gedanken. Wieder erscheint die Nummer meiner Mutter auf dem Display. Es ist der vierte Anruf, seit ich sie sitzenließ mit ihren Minisandwichs und dem kalt werdenden Tee und dem Foto meiner goldigen Halbschwester, die Katie erschreckend ähnlich gesehen hatte. Vermutlich würde ich es nicht ertragen, genauer hinzusehen.
    Jacks Worte in meinem Kopf lassen mich eine winzige Bewegung in Richtung Telefon machen. Doch gerade alsich zum Hörer greifen will, hört es auf zu klingeln. Der Anrufbeantworter ist angesprungen, aber ich weiß, dass meine Mutter keine Nachricht hinterlassen wird. Ich weiß es, weil mir langsam klar wird, dass wir uns ziemlich ähnlich sind. Und während ihr Mut zwar noch so weit reicht, meine Nummer zu wählen, so traut sie sich doch nicht, eine Nachricht zu hinterlassen.
    Ich seufze. Irgendwie fühle ich mich erleichtert, und gleichzeitig bin ich ein bisschen enttäuscht. Ein Blick auf die digitale Anzeige verrät mir dann, wie spät es ist.
    Mist!
Ich bin total im Verzug mit der Freigabe der Graphiken und Texte für die Weihnachtsanzeigen. Hektisch wühle ich nach den Bildern und Layouts auf meinem Schreibtisch. Aber in dem

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