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Gestern fängt das Leben an

Gestern fängt das Leben an

Titel: Gestern fängt das Leben an Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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putzen als Smalltalk mit meinem Mann zu führen. Ich stand auf einem Tritthocker und versuchte, die Griffe des obersten Schrankes vom Fett zu befreien, als er plötzlich hinter mir stand.
    «Na komm» , sagte er. «Komm auf die Couch und schau dir mit mir was im Fernsehen an. Du darfst das Programm aussuchen. Und ich spendiere dir eine Fußmassage.» Ich konnte ihn lächeln hören.
    «Ich kann jetzt nicht» , gab ich zurück, ohne mich umzudrehen. Mein rechter Arm hörte nicht auf zu schrubben.
    «Jilly» , sagte er leise, steckte den Finger durch meine Gürtelschlaufe und zog sanft daran. «Komm schon. Das muss doch jetzt gar nicht geputzt werden. Ich bin endlich mal einen Abend zu Hause und will die Zeit mit dir verbringen.»
    Aber ich schüttelte den Kopf und drängte die Tränen zurück, die wie aus dem Nichts gekommen waren. Also trottete er aus der Küche und zog sich, vermutete ich, auf die Couch zurück, um sich lustlos allein durchs Programm zu zappen.
    Dabei hätte ich Henry sagen müssen, dass er mir wie ein Fremder vorkam. Dass mir seine Bemühungen vorkamen wie die eines Mannes, der zwar auch in diesem Haus wohnte, aber nicht in meinem Herz. Seine Berührungen fühlten sich wie die eines Fremden an.
    Und wenn ich jetzt zurückblicke, erkenne ich, dass Henry versuchte, unser schlingerndes Schiff auf Kurs zu halten. Dass wir zwar vom Kurs abgekommen waren, aber dass ich mich an ihn hätte klammern können.
    Aber manche Lektionen lernt man wohl erst im Nachhinein. Und mir bleibt jetzt nichts anderes übrig, als das Beste aus dem zu machen, was die Zeit mir noch gestattet. Schließlich soll diese ganze Kiste mit meiner Rückkehr in die Vergangenheit nicht völlig unnütz gewesen sein. Oder?

25
    Jack und ich haben der Einladung zum jährlichen Silvesterball von
Esquire
zugesagt. Angesichts des schrecklichen Durcheinanders in meinem Kleiderschrank stürzte ich mich nach Weihnachten in meiner Mittagspause in den Einkaufstrubel, um mir für diesen Anlass ein Kleid zu kaufen. Ich ergatterte schließlich ein kleines Schwarzes, das absolut untypisch für mich war: eng und schwarz und anschmiegsam und so dermaßen anders als alles, was ich in meinem Vorortleben je zu tragen gewagt hätte. Deshalb erkannte ich zunächst auch die Frau bei
Bloomingdale’s
nicht wieder, die so viel nackte Haut im Spiegel zeigte.
    Als ich am Silvestermorgen aufwache, ist es in unserem Schlafzimmer so grau und verschleiert, dass ich erst dachte, es müsse draußen vollkommen nebelig sein. Doch es ist nur der Erinnerungsschleier, der mich noch einhüllt. Ich habe wieder von Henry geträumt. Seit Weihnachten, seit ich auf seinen Anruf warte, ist das eigentlich jede Nacht der Fall.
    Mit einem entschlossenen Ruck stehe ich auf und ziehe die Vorhänge zurück. Dann entdecke ich den Grund für das eigenartige Dämmerlicht in meinem Schlafzimmer: Draußen schneit es wie verrückt! Auf der Fensterbank türmt sich bereits der Schnee fast einen halben Meter hoch und sperrt das Tageslicht aus.
    Vage erinnere ich mich an den Wintersturm vor sieben Jahren. Wo war ich damals? Bruchstückhaft kommt dieErinnerung zurück: Ich war mit Henry zusammen. Das weiß ich noch.
    Schnell krabble ich zurück ins Bett unter die Tagesdecke und schalte den Fernseher ein, um zu erfahren, was los ist. Am unteren Bildschirmrand läuft ein rotes Textband:
Wintersturmwarnung! – Straßen blockiert. – Alle Flüge von und nach New York annulliert. – Wintersturmwarnung   …
    Alle Flüge annulliert?! Ich stemme mich auf die Ellbogen und sehe auf die Uhr. Jack sollte in einer Stunde landen. Fragt sich jetzt nur, wo!
    Es ist keine lebensbedrohliche Katastrophe
, sage ich mir und rapple mich hoch.
Aber was ist mit heute Abend?
    Ich drehe mich um, greife zum Telefon und versuche es auf Jacks Handy, werde aber direkt zur Mailbox weitergeleitet. Fünf Minuten später starre ich immer noch wie hypnotisiert auf die roten Balken, die über den Bildschirm flimmern, als mein Handy auf der Decke vibriert. Es rutscht in Richtung Kante, und meine Hand bekommt es erst nicht zu fassen.
    Versucht das blöde Ding etwa, meinem Griff zu entflie
hen
?
    «Jack?», frage ich atemlos. «Wo bist du?»
    «Nein, hier ist Henry», sagt eine andere Stimme als die, die ich erwartet habe. «Und ich bin in New York.»
    «Oh, Scheiße!» Ich fluche tatsächlich laut. «Äh   … Henry! Schön, dass du anrufst.»
    «Ja, ich finde es auch nett, mit dir zu sprechen», lacht er. «Tut mir leid, wenn

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