Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gestern, heute - jetzt

Gestern, heute - jetzt

Titel: Gestern, heute - jetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kelly Hunter
Vom Netzwerk:
jetzt vielleicht eine anständige Begrüßung hinbekommen würden, aber wie ich sehe, bist du nicht in der Stimmung“, erklärte sie ruhig.
    Nein, war er nicht. Und es fuchste ihn, dass sie es wusste.
    „Möchtest du einen Drink?“, fragte sie als Nächstes. „Ich wollte mir einen Kaffee bestellen.“
    „Nein.“
    „Im Kühlschrank ist vermutlich Saft oder Cola, falls du etwas Kühles möchtest. Jetzt, wo ich darüber nachdenke, möchte ich eigentlich auch eher etwas Kaltes. Bist du sicher, dass ich dir nichts bringen kann?“
    Sie verschwand im Zimmer und überließ es Rafe, ihr entweder zu folgen – was er niemals tun würde – oder draußen zu bleiben und still vor sich hin zu kochen, was ihm mühelos gelang.
    Eine Minute später kehrte sie mit einem großen Glas zurück. „Es gibt nur Wasser“, sagte sie. „Ich nehme an, dass man alles andere beim Zimmerservice bestellt. Entweder das, oder Sarah stockt den Kühlschrank auf, wenn sie die Blumen bringt.“
    „Wir müssen ein paar Grundregeln aufstellen“, erklärte er knapp.
    „Dann ist das kein Höflichkeitsbesuch? Wer hätte das gedacht.“
    Rafael beobachtete schweigend, wie Simone an ihrem Drink nippte, volle, sinnliche Lippen an kühlem Glas. Noch vor einer Sekunde war Rafe kein bisschen durstig gewesen. Jetzt fühlte sich seine Kehle wie ausgedörrt an.
    „Werden mir diese Grundregeln gefallen?“, fragte sie.
    „Könnte sein“, entgegnete er und riss seinen Blick von ihren Lippen los, auch wenn er sich keinen Deut darum scherte, ob sie ihr gefielen oder nicht. „Möglicherweise stellst du fest, dass sie deinen Aufenthalt hier für alle leichter machen.“
    „Ah, ja. Der einfache Weg.“ Sie blickte sich auf der Terrasse um. An einer Pergola rankte duftender Jasmin. „Was glaubst du, woran liegt es wohl, dass der einfache Weg so selten dahin führt, wo man hin will?“
    „Das muss nicht so sein“, widersprach er. „Es hängt davon ab, wo du hin willst.“
    „Nenn es ein vages Gefühl, aber ich glaube nicht, dass wir an denselben Ort wollen.“ Sie warf ihm einen unschuldigen Blick zu. Sofort läuteten seine Alarmglocken. Kindheitserinnerungen geweckt. Dieser Blick, als könne sie kein Wässerchen trüben, hatte normalerweise bedeutet, dass Simone etwas ausheckte. Dabei war sie immer sehr raffiniert und geschickt vorgegangen.
    „Also … was diese Regeln angeht …“, begann sie. „Soll ich dir so gut es geht aus dem Weg gehen? Gabrielles Einladungen ausschlagen, mir das Weingut zu zeigen, das du wiederaufgebaut hast? Soll ich so tun, als würde unsere gemeinsame Vergangenheit nicht existieren?“
    Sie kannte ihn zu gut. Finster blickte er sie an, doch er widersprach nicht. „Das wäre ein Anfang.“
    „Das wäre ein Fehler“, konterte sie leichthin. „Diese Art Grenzen sind seltsam. Sie taugen nur dazu, dass ein Mensch sie ständig überwinden will.“ Ihr wissender Blick kehrte zu ihm zurück. „Aber das … weißt du schließlich schon.“
    Einfach so, vollkommen mühelos und mit geradezu chirurgischer Präzision hatte sie ihm den Boden unter den Füßen weggezogen.
    „Ich werde mich nicht verstecken, während ich hier bin, Rafael.“ Sie kam näher auf ihn zu, viel zu nah. „Ich werde keine höfliche Gleichgültigkeit dir gegenüber vortäuschen. Ich lehne deine Regeln ab. Mein Weg ist ein anderer.“
    Er atmete den Duft ihres Parfums ein, etwas Zartes, Blumiges und sehr Französisches. Er war ihr nah genug, um sie zu berühren, falls er es wollte. Und ob er es wollte! Nicht liebevoll oder sanft, sondern voller Verzweiflung und Sehnsucht. Langsam schob er die Hände in die Taschen und trat zurück. „Dein Weg ist gefährlich.“
    „Wir haben als Kinder zusammen gespielt“, erwiderte sie ruhig. „Damals habe ich dich sehr gut gekannt. Ja, ich kannte deine Seele – sie war zwar nicht einfach, aber sie war mir sehr nah. In unserer Jugend haben wir uns geliebt, ich spürte deine Träume und atmete deine Ängste ein, aber die Pflicht hat mich davon abgehalten, dir zu folgen. Manchmal blicke ich zurück und bereue die Entscheidungen, die ich getroffen habe. Und manchmal bereue ich sie nicht.“
    Simone schaute weg, so als tue sein Anblick ihr in den Augen weh. „Ich kann unsere Vergangenheit nicht ändern, Rafael. Sie ist geschehen. Aber ich kann die Gegenwart beeinflussen, und ich wünsche mir, dass wir die Vergangenheit hinter uns lassen, wenn wir können. Ich möchte neue Erinnerungen schaffen und die alten ersetzen.

Weitere Kostenlose Bücher