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Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen

Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen

Titel: Gestern war auch schon ein Tag - Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mairisch
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Herr Kappelmann reibt sich nervös die Wochenendglatze, versucht, doch was zu erkennen auf dem Spielfeld und von der Seite sagt Bonobo leise in mein Ohr: »Ey, Röber, ich muss dir nachher mal was erzählen.« Ich warte einen Augenblick, ob das schon wieder ein Witz sein soll, aber Bonobo lacht nicht und dann fällt mir auf, dass er mich ja bei meinem richtigen Namen genannt hat.
    Ich guck ihn an und sag: »Halbzeit.« Und er nickt. Ich ahne, worum es geht. Seine Freundin, die er Bernstein nennt und über die er samstags lacht – dicker, brauner Klumpen mit Insekten drin – die nervt ihn ganz schön, seit sie zusammen wohnen, ungefähr seit Mitte Mai, seit dreieinhalb Monaten. Vorher fand er sie ziemlich gut. Jetzt wohnt er mit ihr, zwischen Möbeln, die er bisher an andere verkauft hat. Jetzt ist er angekommen, wo er eigentlich gar nicht hin wollte und haut deshalb samstags härter zu. Aber irgendwann will er dann immer reden. Immer samstags.
    »Geht schon«, sag ich.
    »Was geht schon?«, fragt Herr Kappelmann und dreht sich zu uns um. Das ist sein Spruch. Kappelmann grinst und haut dem alten Mann vor uns mit der Faust auf den Kopf. Einfach so. So sind die Regeln auch: Kappelmann darf das, Kappelmann ist ein Schrank und seine Glatze macht verdammt noch mal Eindruck. Der alte Mann traut sich nicht mal, sich umzudrehen, geht ohne ein Wort aus der Reihe und verschwindet. Ich denke Idiot und meine den alten Typen. Ich wollte wenigstens sein Gesicht sehen.
    Noch null zu null, die Penner aus Frankfurt haben Einwurf. Nicht viel passiert bisher und nur noch fünfzehn Minuten zu spielen in der ersten Hälfte.
    In der Pause geht Kappelmann Bier holen, das ist meistens witzig und geht schnell, deshalb würd ich eigentlich gern mitkommen, aber ich muss hierbleiben bei Bonobo, weil der ja unbedingt mit mir reden will. Kappelmann schubst sich den Weg frei und grölt. Ab und zu grüßt ihn einer und Kappelmann grunzt zurück. Ich glaub nicht, dass ihn einer mag, mit ihm will nur keiner Streit, denn Herr Kappelmann ist samstags echt ein Tier. Dem ist samstags die ganze Welt egal. Geht schon. Der hat keine Angst, dass ihm einer das Jochbein bricht oder seine Zähne zerschlägt oder ein Messer in den Bauch steckt. Der ist voll und weg, Herr Kappelmann hat keine Hemmschwelle. Montag bis Freitag Rechtsanwalt, Fachgebiet Wirtschaftsrecht. Samstags Vollidiot, Tier und keine Angst, dass er irgendwann im Knast landet, weil er einen mal aus Versehen richtig kaputt macht. Vier Nasen hat er schon gebrochen in diesem Jahr. »Knack macht das«, sagt er und lacht. Findet er gut, find ich auch gut. Knack, witzig und absurd. So ne Type, dieser Herr Kappelmann, der redet nicht viel, der haut Nasen kaputt und alten Männern mit der Faust auf den Kopf.
    Was Kappelmann sonntags macht, weiß ich nicht, obwohl ich ihn ja kenne, seit wir siebzehn sind. Bonobo auch, der jetzt tatsächlich von seiner Freundin redet. Ich hör gar nicht richtig zu, bis er seine Hand auf meine Schulter legt. Er hat allen Ernstes Tränen in den Augen.
    »Ey, Röber, Mann, dir kann ichs ja sagen: Ich hab richtig Schiss.« Wenn Bonobo so drauf ist, geht er mir richtig auf die Eier. Ich bin kein Briefkastenonkel, nur weil ich noch nicht mit den Zähnen knirsche. Mir kann ers ja sagen, was soll das heißen, bitte? Ich guck ihn an, keine Ahnung mit was für nem Blick.
    »Anna ist schwanger«, ruft er in mein Ohr und ich sage:
    »Häh?!«
    Bonobo nickt.
    »Echt«, brüllt er, es ist scheißlaut in der Kurve, »is so weit.«
     
    Wiederanpfiff, geht gleich richtig gut los. Gonzo mit dem öffnenden Pass, schnell geschaltet, geht zack, zack. »Bonobo«, sag ich, »wenns ein Junge wird, dann machen wir nen richtigen Primaten aus ihm. Dem vermach ich mein Cap. Und wenns ein Mädchen wird ...« Ich zuck die Schultern, dreh mich um, ja, was, wenns ein Mädchen wird? Robbel vorbei an zwei und quer auf diesen jungen Franzosen, den sie da vor der Saison geholt haben, Büschohn oder wie der heißt, aber der macht sich Knoten in die Beine, der Froschfresser, und verliert den Ball. Konter für die Frankfurter. »Dann behalt ich mein Cap, auch kein Drama«, sag ich und Reinhart, der hatte echt mal gute Tage, aber inzwischen ist er einfach zu alt und wir haben aber trotzdem keinen besseren, steht viel zu weit vor dem Tor und so eine Frankenfotze zieht einfach ab und trifft. Wie der sich freut! Rennt Richtung Eckfahne und wirft sich mit der Brust auf den Boden, rutscht in die Kurve. Wir pfeifen

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